Editorial 2023-03

Editorial 2023-03

Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser März-Ausgabe mal keine schwere Kost, sondern fast ein bisschen Urlaubsstimmung. Aber bevor ich dazu komme, schnell ein paar Worte zu den Reaktionen auf die vergangene Ausgabe. Ich habe hier auf dieser Seite sehr klar gesagt, dass ich für Waffenlieferungen an die Ukraine bin, und ich habe dafür sehr viel Zustimmung bekommen.

Aber ich habe natürlich auch skeptische Reaktionen bekommen, teilweise sehr ernste Zuschriften mit nachdenklichen Worten und sehr vielen Informationen, die mich überzeugen sollten, mich besser auf die Seite jener zu schlagen, die Waffenlieferungen ablehnen. Doch es tut mir leid, aus meiner Sicht kann das Falsche niemals richtig sein. Wer angegriffen wird, dem muss man helfen, sich zu verteidigen. Und ich kann leider nicht mitgehen, wenn mir jemand erklärt, dass sich die Ukraine gar nicht verteidigt, sondern im Gegenteil Russland angreift. Das ist aus meiner Sicht Täter-Opfer-Umkehr.

Die Ukraine hat diesen Krieg nicht angefangen. Und nein, die USA haben diesen Krieg ebenfalls nicht angefangen. Putin hat diesen Krieg angefangen. Es stimmt leider, was Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht in ihrem „Manifest für Frieden“ schreiben, es gibt inzwischen über 200.000 tote Soldaten und über 50.000 tote Zivilisten in der Ukraine. Was sie vergessen zu erwähnen, ist aber, dass diese Menschen alle auf ukrainischem Gebiet gestorben sind. Und dass es nur einen gibt, der dafür verantwortlich ist, nämlich Putin. Es sind russische Soldaten, die in der Ukraine Zivilisten umbringen. Es sind russische Soldaten, die dort vergewaltigen. Ich muss zugeben, ich habe mich über dieses Manifest geärgert. Es verkürzt die Diskussion, die „Argumente“ sind mir zu flach und komplett ausgeklammert bleibt das, was die Menschen in der Ukraine wollen. Was passiert denn, wenn Deutschland, wenn „der Westen“ die Waffenlieferungen jetzt stoppt? Russland würde sich schlicht große Teile der Ukraine einverleiben und die nächsten Ziele ins Visier nehmen. Und was so eine russische Besatzung für die Zivilbevölkerung bedeutet, das haben wir bereits nicht nur in Butscha gesehen. Ist das der Frieden, den die Unterzeichner sich wünschen?

Aus meiner Sicht kann man nur gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sein, wenn man es irgendwie hinbekommt, Putins Gründe für diesen Krieg zu rechtfertigen. Wenn man beispielsweise der Erzählung folgt, dass eigentlich „der Westen“ Krieg gegen Russland führt, dass der große Kriegstreiber im Hintergrund Amerika ist und Russland sich nur verteidigt. Es tut mir leid, ich glaube das nicht. Ich glaube auch nicht an Faschisten in der Ukraine. Meine Informationen sind andere. Aber klar, vielleicht informiere ich mich einfach in den falschen Medien. Das höre ich oft in letzter Zeit. Und bekomme dazu dann gerne Links zu Videos oder Internetseiten zugeschickt. Ich versuche immer, mir dafür Zeit zu nehmen. Und mein Ansatz ist dabei, mich zu widerlegen. Ich steige natürlich mit einer vorgefassten Meinung ein, aber ich suche nicht nach Bestätigung, sondern nach Argumenten, die meine Meinung zerlegen (und diese Technik kann ich wirklich sehr empfehlen). Ich habe bisher aber leider noch nichts gefunden. Leider, weil ich dann vielleicht endlich mal einen Sinn erkennen könnte. Bisher sehe ich am Ende aller Recherchen nämlich immer nur einen durchgeknallten Schwerkriminellen mit einem merkwürdigen Blick auf die russische Geschichte, der mit seiner Clique ein riesiges Land gekapert hat, nun seine Großmachtfantasien auslebt und dabei in Kauf nimmt, dass dafür Hunderttausende sterben.

Aber nun endlich zu dieser März-Ausgabe. Als mir vor ein paar Wochen Bobo Weinzierl nebenbei erzählte, dass er demnächst seinen Job beim GOP Varieté kündigen und Hannover den Rücken kehren würde, dass er seine Wohnung auflösen und alles verkaufen würde, um sich erstmal ein bisschen die Welt anzusehen und dann irgendwo noch einmal ganz neu anzufangen, da war ich ziemlich sprachlos. Und habe natürlich nachgefragt. Wie sich herausstellte, war er mit seinem Plan nicht allein. Bobo und Maik Weinzierl und Julia und Ivonne Zwehl werden sich demnächst gemeinsam auf den Weg machen, mit ihren zwei Campern. Angepeilt ist ein Jahr. Danach kehren Julia und Ivonne voraussichtlich nach Hannover zurück, Bobo und Maik allerdings nicht, sie werden irgendwo anders neu starten. Ein ziemlich radikaler Schnitt, der mich interessiert hat. Die Wohnung auflösen, alles verkaufen, sozusagen die bereits geschlagenen Wurzeln herausreißen, um sich einfach noch einmal neu umzusehen, vielleicht einen ganz anderen Weg einzuschlagen, das ist eine Idee, die wahrscheinlich viele mal zwischendurch haben, aber wohl nur sehr wenige wirklich in die Tat umsetzen. Raus aus der Komfortzone und rein ins Abenteuer. Wer traut sich das? Ich habe in dieser Ausgabe ab Seite 52 mit Julia und Bobo über ihre Pläne gesprochen und erwische mich jetzt hin und wieder dabei, im Netz nach erschwinglichen Campern Ausschau zu halten.

Nicht zuletzt noch ein Hinweis, der mir persönlich am Herzen liegt. Auf Seite 41 in dieser Ausgabe findet sich ein offener Brief. Aber nicht so einer, wie man ihn sonst monatlich im Stadtkind lesen kann. Dieser Brief hat ein echtes und ernstes Anliegen. Ich bekam ihn von Hartmut El Kurdi zugeschickt und er fragte, ob ich dafür vielleicht noch ein Plätzchen im Heft finden könnte. Habe ich. Und unterschrieben habe ich auch. Vielleicht finden sich ja noch ein paar mehr, die Lust haben, mit ihrer Unterschrift Stellung zu beziehen.

Viel Spaß mit dieser Ausgabe!
Lars Kompa
Herausgeber

 

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