Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen im neuen Jahr!
Wollen wir hoffen, dass es ein Jahr des Friedens wird, ein Jahr der Vernunft und der Menschlichkeit.
Ich habe in der letzten Ausgabe über meine persönlichen Ängste geschrieben und über meine Zweifel, ob noch etwas auszurichten ist, ob es noch möglich ist, gemeinsam das Rad in eine andere Richtung zu drehen. Und vielleicht habe ich dabei ein bisschen zu desillusioniert und zu deprimiert geklungen, denn es gab viele Reaktionen, die mich bestärkt haben, doch bitte optimistisch zu bleiben. Das bin ich.
Ich kann da irgendwie nicht aus meiner Haut, das Pessimistische liegt mir nicht so. Hin und wieder gibt es Momente, die mich umhauen, der 24. Februar 2022 war zum Beispiel so ein Tag, der mich fassungslos gemacht hat. Aber diese Lähmungen dauern nie lange, ich suche immer ganz schnell nach Auswegen, nach Lösungen. Manchmal sind meine Gedanken dabei wahrscheinlich ziemlich naiv, mir fällt die Vorstellung schwer, dass es Menschen gibt, denen ihre Menschlichkeit vollständig abhandengekommen ist, ich glaube immer noch an irgendeinen kleinen Rest eines guten Kerns – obwohl ich beispielsweise bei Putin in die Augen eines wirklich eiskalten Menschen blicke.
Aber ich will mir meine Naivität trotzdem nicht kaputtmachen lassen. Naiv zu sein, das finde ich sehr wertvoll. Denn zur Zuversicht gehört einfach ein großer Schuss Naivität.
Was nicht heiß, die Realität auszuklammern. Im Gegenteil. Es ist gut, den Blick scharfzustellen und die Probleme zu benennen.
Und es ist gut, zu versuchen, die Probleme im Rahmen der eigenen Möglichkeiten im Privaten anzupacken. Das mag sich manchmal vergeblich anfühlen, angesichts der ganz großen Katastrophen, aber man sollte sich davon nicht abhalten lassen. Vielleicht ist die Rückbesinnung auf das Private, auf das direkte Umfeld, sogar eine sehr gute Idee. Denn, das berichten uns zum Beispiel auch immer wieder die Ehrenamtlichen, die wir hier im Stadtkind monatlich vorstellen, wenn man etwas tut, wenn man hilft, wenn man andere unterstützt, dann bemerkt man, dass man eben nicht ohnmächtig ist, dass man etwas bewirken kann.
Und das gibt Selbstvertrauen, auch bei größeren Problemen nicht zu resignieren.
Wer nach einem schönen Beispiel für einen wirklich hartnäckigen Optimismus sucht, der wird unter anderem auch in der Kulturszene Hannovers fündig.
Auch im Titelgespräch mit Friederike Ankele ab Seite 52, der neuen Leitung des Kulturbüros, klingt das immer wieder an. Man kann sich nur bewundernd die Augen reiben, wenn man sieht, mit wie viel Zuversicht, Herz und Enthusiasmus die gesamte Szene nach wie vor agiert, nach Corona und in der aktuell schwierigen Lage für die Kultur, denn natürlich sparen die Menschen auch an den Ausgaben in diesem Bereich.
Man erfindet sich momentan eigentlich ständig neu, man wagt immer wieder den Sprung ins kalte Wasser und lässt sich nicht entmutigen. Obwohl man teilweise allen Grund hätte, entmutigt zu sein. Entgegen der immer wieder kursierenden Erzählung, dass der Kultur die öffentlichen Gelder nachgeworfen werden, ist nämlich das Gegenteil der Fall. Die Kultur ist bei uns in Deutschland chronisch unterfinanziert. Sie ist meistens nur nice to have, soll aber bitte nichts kosten.
Wir können sehr froh sein, dass es so viele „Verrückte“ in der Szene gibt, die sich bis zur Selbstausbeutung verausgaben für die eigene Kunst. „Du hast ja gar keine andere Wahl“, hat mir mal ein bildender Künstler erzählt. „Du suchst es dir ja nicht aus, Künstler zu sein. Das passiert dir einfach. Und dann kommst du aus der Nummer nicht raus und das willst du auch gar nicht.
Leider weiß das auch die Politik. Die wissen, dass wir alle weitermachen, auch wenn sie immer weiter kürzen.“
Ich bin ganz strikt gegen Kürzungen in der Kultur in Hannover. Ich wünsche mir sogar mehr Geld für die Kultur. Da ist jeder Euro gut angelegt. Und ich halte überhaupt nichts davon, jetzt ins Feld zu führen, dass alle Bereiche Opfer bringen müssen in diesen Zeiten, dass ein paar Federn überall gerupft werden müssen.
Die Kultur hat nämlich kaum noch Federn, wenn jetzt in Hannover in diesem Bereich gekürzt wird, dann werden damit aus meiner Sicht Strukturen zerstört, dann macht man kaputt, was über Jahre gewachsen ist.
Und was man da kaputt macht, das kommt auch nicht wieder.
Hannover will doch eine attraktive Stadt sein und bleiben.
Wenn das so ist, dann muss klug in die Zukunft investiert und nicht kaputtgespart werden. Aber okay, wenn man unbedingt den Rotstift ansetzen möchte, dann bitte ausgewogen. Die Kultur hat einen Anteil am Haushalt von unter zwei Prozent, ich wäre dann auch für Kürzungen von unter zwei Prozent.
Und ich wünsche mir noch etwas. Ich wünsche mir, dass alle, die über solche Kürzungen entscheiden, ein Pflichtpraktika in einer hannoverschen Kulturinstitution nachweisen müssen. Bei einigen Handelnden Akteur*innen scheint mir der Blick auf die Kultur nämlich reichlich eindimensional, um es mal charmant auszudrücken.
Ein bisschen Horizonterweiterung würde bestimmt nicht schaden.
Viel Spaß mit dieser Ausgabe!
Lars Kompa
Herausgeber Stadtkind