Punks und ihre Enkel essen Pizza, erst recht in Linden: Ein riesiges Graffiti an der Hauswand der ehemaligen Lindener Apotheke an der Einfahrt zur Limmerstraße verkündet nach 145 Jahren die freundliche Übernahme der Räumlichkeiten durch punkige Pizzabäcker. Das Hausmotto „Don’t forget to eat your lunch and make some trouble“ und das „Anarchie-A“ leuchten punk-pink von unverputzten Ziegelsteinwänden herab, der schnoddrige Charme zieht sich von der Papier-Speisekarte bis zu stilecht besprühten Sanitäranlagen und der Riesenterrasse durch den ganzen Laden. Draußen kann man ab Ende März im Schein der drei warmen „Leuchttürme“ bei neapolitanischer Pizza aus dem 500-Grad-Backofen und bunten Punk-Drinks oder (Craft) Beer vom Hahn die Freiluft-Saison genießen – Pizza mit Attitüde gibt’s rund ums Jahr am Tisch, im Karton oder per App nach Hause.
Im freizügigen Eingangsbereich kann man als To-go-Kunde die kurze Wartezeit (der Steinbackofen braucht nur 60 Sekunden, um einen Pizzafladen mit saftigem Kern und brötchenknusprigem Rand zu backen) am langen Tisch mit Barhockern oder auf der sitzkissengepolsterten Fensterbank verbringen und durch die Scheibe Linden-Szenen beobachten. Der Blick auf den Steinbackofen, vor dem zwei Italienisch schnatternde Sympathieträger flink hantieren (Cesare Morrone aus Kalabrien mit Pizzaschieber, ein grinsender Geselle mit -roller und Parmesanhobel), macht Appetit. Der Ausflug ins Herz des Szeneviertels lässt sich mit einer Abhol-Pizza auf dem Küchengarten oder „der Limmer“ bestens an, für Couchpotato-Punks bietet das Lokal über eine eigene App den Lieferdienst und aktivere Sons and Daughters of Anarchy machen es sich vor Ort auf weichen Lederstühlen bei Punk-Hintergrundmusik gemütlich.
Die GmbH „Kitchen Warriors“ aus England hat mit der Idee, die Subkultur als Marketing-Gag auszuschlachten, in Linden natürlich einen Volltreffer gelandet. Hier, wo sich alternder Hipster-Hase und Pseudo-Antifa-Igel gute Partynacht sagen, hat man sich publicityträchtig ins Gentrifizierungsgerede gebracht – ob die Rechnung trotz Farbanschlägen und schriftlicher Kommerzialisierungsablehnung („Wir sind Punk, ihr seid peinlich“) aufgeht, wird Betriebsleiter Nima Amiri aus Limmer schon kalkulieren können.
Als Kunde kann man bei der Pizza-Bestellung mit Folgendem rechnen: Neapolitanische Pizza schmeckt geil. Die Margherita (7,90 Euro) weist klassisch die San-Marzano-Sauce mit besonders fruchtigen Tomaten aus dem fruchtbaren Vulkanboden rund um Neapel auf. Neben Punks Vegetarian wie „Verdura“ mit Antipasti-Grillgemüse (10,90 Euro) und veganen Pizzen wie „Crema Zucchini“ (für 12,90 Euro) mit Zucchini-Kürbis-Creme, Brokkoli, Spinat, Olivenöl und fetziger, frisch gemahlener Punks-Würzmischung wird auch Pizza Bianca geboten. Beide Interpretationsformen – die toskanische mit weißer Trüffelcreme auf dem Pizzaboden (für 12,90 Euro sind bei der „Bianca Tartufo“ jede Menge frische Pilze darauf verteilt) oder die „blanke Pizza“ lediglich mit Öl und Knoblauch, wie in Süditalien an jeder Straßenecke serviert – sind verfügbar. Die „Gigante Salsiccia“ (11,50 Euro), sofort unser Liebling, kombiniert üppige Späne des 24 Monate gereiften Parmigiano Reggiano mit Fior di Latte, der Hauptzutat der echten Pizza Napoletana, mundgerechten Hackbällchen-Häppchen aus fantastisch gewürzter Fenchel-Salsiccia, bissfest gebliebenen Kirschtomaten und frischem Basilikum.
Dazu schenkt das junge, handzahme Kellnervolk ebenso freundliche Weine wie den Miranda Organic Rosé mit jugendlich-duftigen Aromen von Pink Grapefruit, Pomelo, Pampelmuse und Orange aus oder empfiehlt den etwas wilderen Primitivo di Manduria (Flasche 17,50 Euro) als perfekten Begleiter zu fleischigen Pizzabelägen: einen dunklen, dichten Wein mit gewürzbetonter Fruchtigkeit, die kumpelhaft Hand in Hand mit der Fenchel-Note unserer „Gigante Salsiccia“ einhergeht.
Weitere Natur- und Bioweine, typische Aperol-, Limoncello- oder Ginger-Beer-Drinks sowie alternative Ginsorten und Bier-Cider-Mischungen haben die Pizza Punks als ergänzende Stimmungsmacher zur Hand. Na dann mal Prost, salute und Punk Appetito!.
● Anke Wittkopp
Limmerstraße 2d
30453 Hannover
Tel. (0511) 899 388 71
Öffnungszeiten:
Di–Do 16–23 Uhr
Fr 16 Uhr bis Open End
Sa 12 Uhr bis Open End
So 12–23 Uhr