„Wer braucht Feminismus?” ist eine Kampagne, die feministische Themen und Debatten in den Fokus der Gesellschaft rücken möchte. „Feminismus als soziale Bewegung, die gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung kämpft, verdient sehr viel mehr Aufmerksamkeit und ein besseres Image”, so Jasmin Mittag. „Wir wollen Menschen in ihrer feministischen Perspektive bestärken, indem wir ihre Statements dazu sammeln, und sie im Internet und in einer Wanderausstellung präsentieren.”
Die Idee stammt ursprünglich aus den USA, wo sich unter dem Schlagwort „Who needs feminism?” im Frühjahr 2012 Studierende gegenseitig mit Schildern in der Hand fotografierten, auf denen in kurzen Statements stand, warum sie Feminismus brauchten. Die Bilder wurden über Social Media-Plattformen verbreitet.
Auf Facebook sah die Aktivistin und Künstlerin Jasmin Mittag diese Postings und beobachtete begeistert, wie die Aktion immer weitere Kreise zog. Schnell kam ihr der Gedanke, dass diese Kampagne, damit sie auch im deutschsprachigen Raum Fuß fassen könnte, „übersetzt” werden müsste. Und natürlich waren die InitiatorInnen in den USA damit nicht nur einverstanden, sondern begeistert, denn es war ja der Grundgedanke von „Who needs feminism?”, möglichst viele Menschen anzusprechen. Jasmin Mittag legte los und wandelte die Idee, die in den USA leider bald wieder im Sand verlief, hier zu einer dauerhaften Kampagne um, zu der neben den Postings auch Vorträge, Workshops, ein Podcast und eine Wanderausstellung gehören.
Ein bisschen provokant ist die Frage „Wer braucht Feminismus?” und lädt auch durchaus den einen oder anderen Troll dazu ein, sie im Netz mit „Kein Mensch” oder „Ich nicht!” zu beantworten. Für Jasmin Mittag aber ist die Antwort klar: „Wir alle brauchen Feminismus, und es ist wichtig, dass das in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Geschlechtsbezogene Diskriminierung ist auch hier immer noch vorhanden, in allen Bereichen des Lebens: Im Alltag, in der Werbung und in der Sprache zum Beispiel. Dann gibt es andere große Bereiche, politische Partizipation, Bildung, Wirtschaft, Gesundheit, wo es hier und auch global eine große Schieflage gibt. Es ist wichtig, den Blick hierfür zu öffnen und Themen, die sonst nicht gesehen werden, immer wieder auf den Tisch zu bringen. Das Bewusstsein ist der erste Schritt. Nur wenn Probleme gesehen werden, ist es möglich, an ihnen zu arbeiten.”
Über 3000 Menschen konnten Mittag und ihre MitstreiterInnen schon dazu motivieren, sich mit einem Statement zum Feminismus fotografieren zu lassen. Es gibt also viele Argumente, die für Feminismus als soziale Bewegung sprechen. „Schön an den Statements ist, dass jede Person dabei für sich spricht und ihre eigene Meinung äußert. Es gibt also keinen erhobenen Zeigefinger. Keines der Statements ist wie das andere. Jede Person hat einen ganz eigenen Grund, den sie nennt, oft ist das etwas sehr Persönliches. Deshalb ist es uns dabei ganz wichtig, dass wir niemanden überreden”, so Mittag. „Die Menschen, die sich für die Kampagne fotografieren lassen und so zu einem Vorbild für andere werden, müssen sich ja damit wohlfühlen. Frauen sind immer noch sehr darauf gepolt, nicht anzuecken und sich nicht unbeliebt zu machen. Aber ich beobachte schon seit einigen Jahren, dass sich das Image des Feminismus zum Positiven wandelt, zum Beispiel auch dadurch, dass Prominente wie zum Beispiel die Sängerin Beyoncé sich öffentlich als FeministInnen positionieren.”
Bei vielen Veranstaltungen zum Thema ist zu beobachten, dass höchstens zehn Prozent der Teilnehmenden Männer sind. Tatsächlich ändert sich auch hier langsam etwas. Bei jüngeren Männern, die jetzt zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, ist es mehr und mehr selbstverständlich, feministische Positionen zu beziehen, während ältere sich oft darauf zurückziehen, dass Feminismus Frauensache sei.
Schon dreimal hat Mittag ein feministisches „Barcamp” in Hannover organisiert, eine Art Tagung als Plattform für Vernetzung und Diskussion. Zurzeit konzentriert sie sich pandemiebedingt auf Online-Veranstaltungen und den Podcast, den sie zunächst allein, mittlerweile aber zusammen mit drei Kolleginnen betreibt. Hier stellt Mittag Menschen vor, die schon mal ein Statement abgegeben haben, und unterfüttert so die kurzen Botschaften in Form von Interviews mit Leben.
Die Ausstellung „Wer braucht Feminismus?” wird bundesweit in Rathäusern, Universitäten oder anderen öffentlichen Gebäuden gezeigt. Hierfür sind die nächsten festen Termine sicherheitshalber erst für 2022 geplant.
„Ich habe noch viele Ideen, wie man die Aktion größer und bunter machen könnte“, sagt Jasmin Mittag, „aber dafür fehlt einfach das Budget. Es ist sehr aufwändig, an Fördergelder zu kommen. Eine zweite Ausstellung, die sich an Schülerinnen und Schüler richtet, wäre toll, oder auch ein Online-Seminar.”
● Annika Bachem
Termine: Warum brauchst du Feminismus? Unsere Mitmach-Aktion
zum Internationalen Frauen*tag 2021! 8. Februar bis 5. März | Online
Wer braucht Feminismus? – interaktiver Online-Vortrag.
4. März 2021 18 – 19 Uhr @ Stadt Speyer | Online
Wir brauchen Feminismus! – Austausch und Vernetzung
zum Internationalen Frauen*tag. 7. März, 18 Uhr | Online
Mehr Infos: werbrauchtfeminismus.de