Tinatin: Alles Zu Seiner Zeit
Wer sich bereits vor Veröffentlichung des Debütalbums eine so solide Fan-Base erspielt hat, dass es für dessen Crowdfunding-Finanzierung reicht, hat irgendwas richtig gemacht. Das Album der 5-köpfigen Soul-Jazz-Pop-Band um Singer-Songwriterin Tinatin Tsereteli, in one-take-Manier aufgenommen, besticht ebenso durch Tseretelis stimmliche Qualitäten, wie durch nachdenkliche deutsche Texte.
The Late Call: Your Best Friend Is The Night
Für sein fünftes Album ist der deutsche, in Stockholm lebende Singer-Songwriter dazu übergegangen, Songs direkt am Klavier zu schreiben. Erst später kamen kleinere Arrangements weiterer Instrumente zu einigen Songs dazu. Er klingt, als hätte man Coldplays Chris Martin aus dem Stadion gezerrt und gesagt: „So, jetzt mal ohne Gedöns!“
Palace Winter: … Keep Dreaming, Buddy
Das dritte Album des dänisch-australischen Duos von Caspar Hesselager und Carl Coleman, aufgenommen während einer auf Teneriffa und der andere in Dänemark weilte. Man schickte sich Soundschnipsel, Melodien und Texte hin und her und es entstand ein breitwandiges, verträumt fluffiges, eingängiges Synth-Pop-Album, dessen Titelsong Mut machend gemeint ist, nicht herablassend.
Tribe: Stop & Frisk
Hektisch, vertrackt, verspielt und relativ durchgedreht sind die Tracks des elektro-akustischen Ensembles aus virtuosen Jazz-MusikerInnen, die der Essener Trompeter John-Dennis Renken hier um sich geschart hat. Prominente Namen wie Angelika Niescier (Saxofon) oder Klaus Heidenreich (Posaune) sind dabei. Gar nicht so sperrig, weil rhythmisch total mitreißend, und kurz vor Schluss rockt es sogar.
Anna.Luca: Small Friendly Giant
Ein schönes Jazz-Album der schwedisch-deutschen Sängerin und Komponistin Anna Luca Mohrhenn, die früh mit Klassik in Berührung kam, sich aber bald mit elektronischer Musik und Pop auseinandersetzte, bevor sie ihre Liebe zum Jazz entdeckte. Mit glockenheller Stimme und neben englischen auch schwedischen Texten gießt sie, gemeinsam mit dem Pianisten Roman Babik, Geschichten in Musik.
Kaskadeur: Uncanny Valley
Ein Debütalbum, das eigentlich keins ist, denn schon seit zehn Jahren spielen die vier Post-Heavy-Stoner-Rocker aus Potsdam zusammen, bisher unter dem Namen Stonehenge. Vertrackt aber nicht verkopft, mitreißend heavy, verspielt gewürzt mit fein dosierten ruhigeren Einschüben und verbunden mit kleinen Zwischentrack-Perlen macht dieses Album von Anfang bis Ende Freude.
Grandson: Death Of An Optimist
Hinter diesem Enkeltrick steht der in New Jersey geborene, in Kanada aufgewachsene Musiker Jordan Edward Benjamin, der bereits 2018 mit seiner Single Blood // Water von seiner Debüt-EP „A Modern Tragedy Vol. 1“ aufhorchen ließ, die prompt von mehreren TV-Serien aufgegriffen wurde. Und auch prominente Kollegen haben gemerkt, dass hier jemand am Start ist, der allen Grund hat, optimistisch in die Zukunft zu blicken, wie Kollaborationen mit Mike Shinoda von Linkin Park, Travis Barker von blink-182, K.Flay und Oliver Tree und ein Co-Writing-Credit für den aktuellen Hit „Misfit“ des K-Pop-Acts NCT belegen. Auf seinem ersten Album in voller Länge liefert Grandson mit schnarrender Stimme einen sehr modernen Crossover ab, der oft zunächst im Singer-Songwriter-Style etwas harmlos daherkommt, bevor er nach hinten raus seine Härte offenbart.
The Tibbs: Another Shot Fired
Das zweite Album des achtköpfigen niederländischen Retro-Soul-Kollektivs, das mit Roxanne Hartog eine hochtalentierte neue Sängerin an Bord hat. Mit der Grandezza und der Stimmgewalt einer kleinen, glücklichen Schwester von Amy Winehouse schafft diese es locker, ihre sieben Bandkollegen in die zweite Reihe zu verweisen. Der nächste Bond-Song wäre bei diesem Ensemble in guten Händen. Und dennoch ist „Another Shot Fired” vor allem ein Album für Fans von großartigen Bläserarrangements. In nur vier Tagen in den Amsterdamer Electric Monkey Studio aufgenommen und gemastert von Motown-Soul-Veteran Bob Holsen, werden auch Sound-Fetischisten Freude an den 13 Songs haben, die mit einer Prise Funk und Reggae perfekt geeignet sind, den Tag zu erhellen, und den Abend dann auch noch.
● Annika Bachem