Karin von Schweinitz von „Waage Hannover e.V.“

Das Thema „Mediation“ hat in den letzten Jahren erheblich an Bekanntheit gewonnen. So werden innerbetriebliche Konflikte inzwischen häufig im Rahmen von Mediationen gelöst. Aber selbst, wenn Streitigkeiten bereits so eskaliert sind, dass es zu Straftaten und  Anzeigen gekommen ist, kann es mittels Mediation noch gelingen, die Wogen zu glätten – und oft für beide Parteien unangenehme und folgenreiche Gerichtsverfahren verhindern. Bereits 1990 wurde die „Waage Hannover e.V.“, das gemeinnützige, nicht kommerzielle Zentrum für Mediation und Konfliktschlichtung in der Stadt und Region Hannover gegründet. Seit 2006 sind auch ehrenamtlich tätige MediatorInnen in die Arbeit des Vereins eingebunden. Eine von ihnen ist die pensionierte Lehrerin Karin von Schweinitz.
Schon während ihrer aktiven Zeit als Lehrerin kannte und schätzte Karin von Schweinitz das Konzept der Streitschlichtung durch Mediation in Schulen. Als sie in 2008 Altersteilzeit ging, begann sie darum eine Mediationsausbildung bei der „Waage“. Und war begeistert von ihren AusbilderInnen Frauke Petzold und Dr. Lutz Netzig. Nachdem sie den „Grundkurs Mediation“ abgeschlossen hatte, fragen die beiden sie, ob sie gerne bei der „Waage“ mitarbeiten würde – und sie rannten damit offene Türen ein.
Ihr Einsatzgebiet ist der sogenannte „Täter-Opfer-Ausgleich“ (TOA), wo viele der ehrenamtlichen MediatorInnen, meist im Zweierteam, tätig sind. Konflikte, die zu einer Straftat geführt haben, werden besprochen, und man versucht, gemeinsam Lösungen für eine Wiedergutmachung zu finden. Bevor die Staatsanwaltschaft ein Verfahren vor Gericht bringt, schlägt sie, wenn sie das Potenzial einer außergerichtlichen Klärung sieht, diesen Weg vor. Oft handelt es sich bei den Delikten um Schlägereien, Vorfälle im Straßenverkehr oder Straftaten infolge von Nachbarschaftskonflikten. Wenn es den Betroffenen in der Mediation gelingt, sich zu einigen, können die Kläger angeben, dass sie kein Interesse mehr an einer weiteren Strafverfolgung haben. In der Regel wird das Verfahren dann eingestellt.
In Vorgesprächen setzen die MediatorInnen sich mit den Fällen auseinander, dann trifft man sich zu Gesprächen, für die es feste Spielregeln gibt. Nur das Ergebnis der Gespräche, also ob es eine Einigung gibt oder nicht, und gegebenenfalls die Entschädigungsmodalitäten werden der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, alles andere dringt nicht nach außen.
Oft kommen die Klienten, also die Streitenden, mit ihren gesamten Unterlagen, und versuchen, die MediatorInnen auf ihre Seite zu ziehen. Man ist es gewöhnt, sich in einem Streitfall Verbündete zu suchen. MediatorInnen aber haben die Aufgabe, „all-parteilich“ zu sein. Sie werden keine Partei ergreifen, sondern beide Seiten dazu auffordern, den Konflikt aus ihrer Sicht zu schildern. Anders als im Gerichtssaal ist das hier für beide Seiten in aller Ruhe möglich. Gerade für die Opfer, die vor Gericht, wenn überhaupt, nur als Zeugen gehört werden, kann das sehr befreiend sein. Wichtig ist es dann, dass die Streitenden es schaffen, sich ohne Gesichtsverlust aufeinander zuzubewegen. Um diese Annäherung geht es, nicht darum festzustellen, wer im Recht ist.
„Zunächst einmal sind die Menschen ja sauer, und diese Emotionen müssen auch raus“, so die Mediatorin. „Dann geht es darum, dass sich das wieder ein bisschen beruhigt und man in einen Austausch kommt. Es ist immer schön zu sehen, wenn bei richtigen ‚Streithammeln‘ und total verhärteten Fronten durch die Gespräche ein Perspektivwechsel und ein Verständnisprozess in Gang kommen.“ In der Regel sind dann beide einfach froh und erleichtert, wenn der Konflikt vom Tisch ist.
„Als Lehrerin war ich es gewohnt, allen zu sagen, wo es lang geht. Als ich die Mediationsausbildung gemacht habe, merkte ich, wie unglaublich schwer es ist, sich selbst zurückzunehmen und die Leute machen zu lassen“, schmunzelt von Schweinitz und beschreibt, wie sehr ihr die Ausbildung damals zum Ende ihrer Lehrtätigkeit geholfen hat, gelassener mit Konflikten umzugehen: „Früher habe ich gesagt Jetzt ist Schluss! Wie man das so machte. Später habe ich die SchülerInnen eher erzählen lassen. Mediation ist eine Haltung. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den ich erst lernen musste.“
Nach Abschluss des „Aufbaukurses Mediation“ und nach dem Ende ihrer Lehrtätigkeit bekam Karin von Schweinitz das Angebot, im Bereich der Trennungs- und Scheidungsmediation und der hoch eskalierten Familienkonflikte zu arbeiten. „Das ging mir aber zu sehr unter die Haut“, sagt sie. „Besonders, wenn Kinder betroffen waren, habe ich das mit nach Hause genommen, und das wollte ich einfach nicht.“
Bei der „Waage“ achtet man sehr darauf, dass die Mitarbeitenden die Belastungen ihrer Tätigkeit gut verarbeiten, es werden Supervisionen und auch laufend Fortbildungen und Trainings angeboten, bei denen Fallbeispiele in Form von Rollenspielen geprobt werden. „Da sind immer nette Menschen und alles in allem macht es riesigen Spaß“, erzählt die Mediatorin. „Ich möchte einfach im Alter nicht nur reisen und Gartenarbeit machen. Es ist schön, wenn die Menschen sich die Hand geben und sagen: Das ist geklärt.“

● Annika Bachem

Die „Waage Hannover e.V.“ ist ein Verein,
der von Spenden lebt.
www.waage-hannover.de   


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