Those Damn Crows:
Point Of No Return
Nicht zu schnell weglegen: Das zweite Album der Waliser Rockband kommt auf den ersten Tracks etwas arg nickelbackig daher, aber sobald mit „Never Win“ die obligatorische Klavierballade durchgestanden ist, entwickeln sich die Songs in Richtung solider, guter und sehr gut produzierter Hausmannskost – musikalisch mit einer deutlichen Steigerung zum Schluss.
Das Moped: Erstaunlich Klar
Lupenreiner Synthie-Pop mit viel Uuh und Aah, gekonntem Falsettgesang und sympatisch selbstironischen Texten, damit stand das Trio in den Startlöchern zu ihrer Tour mit Wanda, Roy Bianco & Die Abbruzanti Boys und einem großen Festivalsommer, bevor das bunte Treiben jäh unterbrochen wurde. Ihr schillerndes Debütalbum ist bestechend, gnadenlos, witzig und tanzbar.
Rustin Man: Clockdust
Das zweite Soloalbum des ehemaligen Talk Talk-Bassisten Paul Webb ist der Überhang des letztjährigen „Drift Code”, ohne dessen Ausschussware zu sein. Es war bei den Aufnahmesessions einfach zu viel Material entstanden. Zeitlos verschroben und verträumt wandelt Webb auf den Pfaden eines jungen David Bowie und bedient sich dabei mysteriöser Instrumente wie Euphonium, Kokoriko oder Okónkolo.
Boston Manor: Glue
Wer die Band aus dem nordenglischen Blackpool aufgrund ihrer beiden Vorgängeralben unter Pop-Punk verortet, dürfte überrascht werden. Durchgehend wütend und stürmisch bis brachial, aber ohne Bombast geht es zu auf „Glue“, dessen Sound experimentierfreudig in Richtung Post-Punk und Metalcore frisiert ist, ohne roh zu klingen oder auch nur ein bisschen an Eingängigkeit einzubüßen.
Badly Drawn Boy:
Banana Skin Shoes
Schon der Einstieg ist wild und flockig-leichter Crossover-Jazz-Pop-Funk. Die Leichtigkeit zieht sich durch und man muss schon auf die Texte hören, um zu ahnen, dass die 10 Jahre Abstand zum Vorgängeralbum des Musikers aus Manchester keine lockere Auszeit, sondern eine Aneinanderreihung von Lebenskrisen war. Jetzt, das klingt von Song zu Song durch, ist alles wieder gut.
Caligula’s Horse: Rise Radiant
Das fünfte Album der Progressive-Metal-Band aus dem Australischen Brisbane, und der Name ist Programm. Immer wieder erheben sich strahlend die Hooklines von Frontmann und Sänger Jim Grey aus dem berauschenden, episch breiten Geprügel, das, angereichert mit feinster Gitarrenarbeit, im Spannungsfeld von technischer Härte und Melodiösität dazu einlädt, ganz tief abzutauchen.
Shantel & Cümbüş Cemaat: Istanbul
„Die wirklich spannenden Sounds kommen aus den geopolitschen Schnittstellen im Nahen Osten oder den Suburbs afrikanischer oder südamerikanischer Metropolen“, so Stefan Hantel aka Shantel 2015, als er mit „The Kiez Is Alright“ gerade an seinen „Disko Partizani“-Erfolg anknüpfen konnte. Sein neues Album, eine Kollaboration mit der türkischen Band Cümbüş Cemaat, ist eine Hommage an die Istanbuler Musikkultur. Man knöpfte sich ausgewählte türkische Songs aus dem riesigen Repertoire der Band vor und schuf einen musikalischen Kosmos aus anatolischer Psychedelica, Neo-Folk, Rembetiko, Dub und türkisch-arabesken Klängen. Im Zentrum der Produktion, für die Cümbüş Cemaat in Frankfurt zu Gast war, standen ein analoger Fender-Gitarrenverstärker aus dem Jahre 1966) und Ribbon-Mikrofone mit den passenden Röhrenverstärkern. Das 10 Tracks starke Ergebnis ist ein anregendes musikalisches Hybrid, ein Dialog der Popkulturen, und, ganz nebenbei, auch noch clubtauglich.
Einstürzende Neubauten: Alles in Allem
12 Jahre nach dem letzten regulären Studioalbum, zum 40-jährigen Bandjubiläum, liefern die Berliner Krachmacher ein eher ruhiges Album. Aber man lässt sie heutzutage auch kaum noch auf Schrottplätze, wie Blixa Bargeld beklagt, „aus Versicherungsgründen.“ Dabei greifen sie schon länger als alle anderen zur unabhängigen Finanzierung ihrer Projekte auf partizipative Modelle zu – lange bevor der Begriff Crowdfunding überhaupt existierte. Ist da in der Unterstützerszene denn kein mutiger Schrottplatzbesitzer? Die Band wusste sich auch so zu helfen, fand andere Materialien und reiht 10 Aufnahmen aneinander, thematisch dem heutigen und erinnerten Berlin gewidmet. Freie Assoziationen lieferten einen großen Teil der verstörenden bis lyrischen, und manchmal auch lustigen Texte. Musikalisch überraschend ist der Schunkelsong „Am Landwehrkanal“, doch auch hier lauert Düsternis unter der Oberfläche.
Annika Bachem