Wahrscheinlich war es gar nicht anders möglich, da mussten erst vier Leipzigerinnen bei uns in Hannover auftauchen, um uns zu zeigen, wie schön unsere Stadt ist. Denn man weiß ja, dass der Hannoveraner selbst zum Understatement neigt. Schön oder gar besonders ist hier bei uns nämlich erstmal gar nichts. Wo kämen wir sonst auch hin? Am Ende bildet sich noch irgendjemand was auf die Landeshauptstadt ein … In ihrem Buch „Stadtschwärmer Hannover“ haben Babett Börner, Franziska Müller, Katrin Hofmann und Stephanie Schmidt zusammengefasst, was Hannover abseits der bekannten Sehenswürdigkeiten ausmacht. Wir haben mit ihnen über das Büchermachen und die vielleicht meistunterschätzte Stadt der Welt gesprochen.
Wir treffen das Quartett in einem Restaurant in der Nordstadt, das sie noch nicht kennen. Nein, kein investigativer Journalismus, wir decken hier nicht auf, dass sie sich als Leipzigerinnen in Hannover gar nicht so richtig auskennen – das Restaurant gab es während der Entstehung des Buches noch gar nicht. Und das wissen sie ganz genau, denn die Vier kennen sich ausgesprochen gut aus, wahrscheinlich ähnlich gut wie in ihrer Heimatstadt Leipzig. Und vielleicht kennen sie sich nach der Arbeit an dem Buch sogar besser aus als so mancher Einheimischer.
Alle vier Stadtschwärmer-Macherinnen kommen gebürtig aus Leipzig, sie haben dort studiert, gelebt, gearbeitet, Katrin Hofmann und Babett Börner haben gemeinsam ein Architektur- und Grafikbüro, Stephanie Schmidt hat gemeinsam mit Franziska Müller eine Kommunikations- und Eventagentur betrieben. Und kennengelernt haben sie sich quasi auf dem Flur. Sie waren Büronachbarinnen. So ist man sich begegnet und mochte sich, saß irgendwann gemeinsam beim Frühstück und plauderte darüber, was es damals in Leipzig noch nicht gab, nämlich ein Buch über Leipzig, das abbildete, was die Stadt in den Augen der vier Stadtschwärmerinnen eigentlich ausmachte. Die vielen schönen Ecken, die besonderen Orte, die die herkömmlichen Reiseführer nicht abbildeten. Jene üblichen Reiseführer mit den üblichen Tipps, die sich kein Leipziger jemals ansehen würde.
Man müsste … Die Idee war geboren, einen absolut subjektiven und damit vollkommen authentischen Stadtführer wollte das Quartett in die Welt setzen. Und genau das ist ihnen vor einigen Jahren nach nur 10 „sehr intensiven Monaten“ Recherche und Gestaltungsarbeit überaus erfolgreich gelungen. Von ihrem Leipzig-Buch haben sie bereits fast 20.000 Exemplare verkauft. Die erste Auflage mit 3000 Exemplaren war nach nur knapp drei Wochen komplett vergriffen. Sie waren damit in aller Munde. Medien wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, das Lonely Planet Traveller Magazin und der MDR Sachsenspiegel berichteten. Im Mai 2016 wurde der „Stadtschwärmer Leipzig“ von der Stiftung Buchkunst auf die Longlist der schönsten deutschen Bücher 2016 gewählt. Im Oktober 2016 stand das Buch auf der Shortlist des „The Beauty and the Book“-Awards der Frankfurter Buchmesse.
Und es gab viel Lob von etablierten Verlagen. Die gleichzeitig immer eingestanden, dass so ein Konzept in einem streng gewinnorientierten Unternehmen gar nicht möglich sei. Natürlich nicht, wirtschaftlich denken die Vier zwar auch, aber im Vordergrund steht dann doch das Produkt, die Qualität und Authentizität. Ein Anspruch, der durchaus hilfreich war – und ist. Denn so arbeiten alle gemeinsam am Maximum, es geht nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern nur um das anspruchsvolle Endprodukt. Ein Endprodukt, das Maßstäbe setzt, mit guten, spannenden Texten und qualitativ hochwertigen Fotos, mit vielen gestalterischen Details. Herstellung, Papier, Bindung, Umschlag, alles sollte so sein, wie die Vier sich das bei einem ersten eigenen Buch schon immer vorgestellt hatten. Klar denkt man bei der Planung auch mal an die Finanzen, aber eben nicht nur, viel, sehr viel der hohen eigenen Ansprüche haben sie umgesetzt. Ein richtig schönes, klassisches Printprodukt, das hatten sie sich schon damals am Frühstückstisch vorgenommen. Und tatsächlich eins zu eins produziert. Über den Erfolg waren sie dann selbst ein bisschen überrascht. Und erfreut. Der Lohn für sehr viel Arbeit. Sie hatten als erste Zielgruppe eigentlich Touristen im Kopf gehabt, in Leipzig griffen aber vor allem auch die Leipziger zu, quer durch alle Altersgruppen. Und es gab viel Lob von den Einheimischen, ein größeres Kompliment kann man wohl kaum bekommen.
Eine Stärke des Konzepts ist sicherlich die redaktionelle Unabhängigkeit. Niemand konnte sich einkaufen, die Vier haben gemeinsam über die Inhalte entschieden, die verschiedenen Locations ausgesucht, ganz nach persönlichem Geschmack. Die Locations konnten sich dann, eine Art Crowdfunding, an den Druckkosten beteiligen und im Nachgang wiederum an den Verkäufen partizipieren. Das Leipziger Buch kostet 19,90 Euro.
Und dann also Hannover, fünf Jahre später. Sie haben zuerst nur ganz theoretisch über dieses zweite Buch gesprochen. Könnte man nicht? Müsste man nicht? Aber welche Stadt wäre geeignet? Es gab erste Listen. Nicht zu groß, nicht zu klein, eine Stadt mit Studierenden, ein bisschen jünger, vielleicht mit einer ähnlichen Struktur wie Leipzig. Hannover stand an erster Stelle, unter anderem, weil es auch persönliche Bezüge gab. Also ging es zunächst für ein Wochenende nach Hannover. Mit dem Fahrrad haben die Vier die Stadt erkundet, sich umgesehen, gegessen, das Nachtleben ausprobiert. Und sich gleich zuhause gefühlt. Reisen in andere Städte waren damit hinfällig. Hannover war die Stadt der Wahl.
Aber wie macht man sich so eine zunächst mal fremde Stadt nun zu eigen? Natürlich scannt man erstmal alles, was einem in die Finger kommt, man sichtet, was es schon gibt, man liest in Blogs, man blättert in Magazinen, man erstellt eine erste Liste mit möglichen Locations. Das ist der theoretische Teil. Aber dann nimmt man Kontakt auf zu den Menschen vor Ort, man sucht MitstreiterInnen in den kreativen Kreisen Hannovers, man streut die Idee. Und man findet die Local Heroes, Luisa Verführt für den Bereich Shopping, Jonas Lindemann für den Bereich Entrepreneurs, Ninia LaGrande für den Bereich Kunst & Kultur, Stefan Schlutter für die EXPO, Denise M`Baye für den Bereich Kulinarisches, Sonja Ordonez Alcantara für den Bereich Musik und schließlich als Fotograf Oliver Farys und als Texter Gerd Schild. Mit so einer Liste kann dann kaum noch etwas schiefgehen.
Entstanden ist ein Werk von über 300 Seiten, das auf jeder Seite die Verbundenheit zu Hannover und den Stadtteilen spiegelt, eine spannende Lektüre mit wunderschönen Fotos, freilich eine absolut subjektive Zusammenstellung ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, und gerade darum einfach vollkommen authentisch und auch für Hannover-Kenner ein Muss. Seit März 2019 zeigt der Stadtschwärmer Hannover als alternativer Reiseführer nun Hannovers vielfältigste Seiten und ist an vielen Verkaufsstellen in Hannover erhältlich. Bestimmt ein schönes Weihnachtsgeschenk! LAK