Mit dem BURN-Festival verabschiedete sich das Schauspiel-Ensemble von Hannover – und ließ den Geist von Cumberland noch ein letztes Mal hell auflodern.
Das letzte Wort hat das Ensemble. Dieses wunderbare, sehr besondere, mit vielfältigen Talenten gesegnete Künstlerkollektiv, das nun als Stern über Hannover verglüht und sich in alle Winde zerstreuen wird. Neun Tage im Juni konnte man sie alle noch mal hautnah erleben, mit ihren Herzensprojekten, an ihrem zweifellos liebsten Ort – in Cumberland, das gern „Hannovers schönstes Treppenhaus“ genannt wird, aber doch viel mehr ist. Oder vielmehr: gewesen sein wird.
Das BURN-Festival, gedacht als Abschied von Hannover nach zehn Jahren Intendanz von Lars-Ole Walburg (2009-2019), entpuppte sich zur Freude und Überraschung aller, die es erleben durften, als Wunder der Gemeinschaft: Hier feierte sich die Theaterfamilie noch einmal exzessiv selbst – zugleich aber öffnete sie sich, frei von Dünkel und Berührungsangst, für ihr treues und dankbares Publikum.
Die Idee: Nicht mit einer Gala im Schauspielhaus, sondern mit einem kleinen, feinen, mehrtägigen Feuerwerk in Cumberland wollte sich diese Theatertruppe von der Stadt verabschieden. Auf den Treppen, in den Nischen, auf der Bühne, in den (extra aufgestellten) Betten, an der Bar. Szenisch, musikalisch, lesend, im Gespräch miteinander. Noch einmal alles geben, hell auflodern und dann in Rauch aufgehen. It’s better to burn out than to fade away.
Cumberland wurde in diesen Tagen wirklich zu jenem utopischen Ort der Kunst, des Feierns und der Suche nach dem Anderen, als der es vor drei Jahren vom Schauspiel-Team ausgerufen worden war. Was damals nicht mehr als eine kühne dramaturgische Behauptung war, nahm mit einem Mal wie selbstverständlich Gestalt an. Man konnte es förmlich sehen und spüren: in den leuchtenden Augen, an der Selbstvergessenheit der Tanzenden, den innigen Umarmungen und dem bebenden Applaus.
Der Theaterhof davor: eine Landschaft aus Freisitz und Liegewiese, das Treppenhaus durchweht von goldenen Girlanden. Auf dem Weg nach oben nie gezeigte Masken abgespielter Stücke, funkelnde Porträts der (zahlreich anwesenden) Schauspieler, die ernst und konzentriert von den Wänden herabblicken. Die, die da sind, reden, spielen, singen, tanzen, rauchen. Und sind dabei nahbar wie selten zuvor.
Und sie trinken, sieben Tage lang und noch länger. Und hätten ihre Moscow Mules und Gin Tonics so gern noch einmal von „Fausti“ gemixt bekommen, dem Barkeeper der Herzen, der Cumberland gelebt hat wie kein anderer. Der aber fehlt, plötzlich verschwunden ist – und dessen Todesnachricht am sechsten Tag in die melancholische Idylle platzt. An diesem 12. Juni bleibt es still in Cumberland. Es wird viel geschwiegen und viel geweint.
Zwei Tage noch, dann die allerletzte Vorstellung nebenan im Schauspielhaus, bis es unwiderruflich vorbei ist. Fired! My my hey hey. The King is gone …
So long, Hannover.
Burn Achenbach
Fotos:
Bild oben: BURN AllStars, © Isabel Machado Rios
Bild unten: BURN Sexmission, © Isabel Machado Rios