Aus der Rubrik „Stadtkinder streuen Gerüchte“
Die Zeiten ändern sich. Sagt man so. Und das hat anscheinend auch dieser ominöse Unternehmensberater mit dem aufdringlichen Aftershave gesagt, der neulich gleich mehrere Stunden bei unserem Chef im Büro verbracht hat. Als der Typ endlich wieder gegangen ist, war unser armer Chef ganz blass und hat sich beim Gehen an den Wänden abstützen müssen. Und er hat wirres Zeug geredet: „Seit Jahren falsch, Sackgasse, neu denken, neu erfinden, Zeitgeist, Mainstream, wahrhaftiger, grüner …“, hat er vor sich hingestammelt. Und ist wieder in seinem Büro verschwunden. Eine ganze Woche hat er sich dann nicht mehr blicken lassen. Nur ab und zu mussten ausgewählte Mitarbeiterinnen ihm Kaffee bringen – und eine erste Veränderung deutete sich schon hier an, denn er bestand plötzlich auf fair gehandelten Öko-Kaffee (O-Ton: „Scheißegal, was der kostet“). Und einen Tag später wurde auch noch das große Merkel-Porträt aus dem Chefbüro entfernt. Bei einem Telefonat mit der Druckerei wurde es später dann außergewöhnlich laut. Beinahe jedes Wort war zu verstehen: „Ob ich mir das leisten kann, fragen Sie? Ob ich das gut kalkuliert habe? Ob ich mir das nicht noch einmal überlegen will? Haben wir zwei Welten, oder was? Wir müssen jetzt handeln! Alle! Sie drucken mir das ab sofort klimaneutral, oder ich werde es mir woanders leisten, Sie Arsch!“ Und dann wieder Ruhe, stilles Brüten im Chefbüro. Natürlich wurden die auserwählten Kaffee-Mitarbeiterinnen förmlich belagert. Was macht er? Was geht da eigentlich vor? „Er steht meistens an seinem Flipchart und schreibt und zeichnet und macht viele Pfeile und zwischendurch reibt er sich die Stirn und stöhnt angestrengt und dann trinkt er wieder Kaffee und dann zeichnet er weiter – und dann reißt er wütend das Blatt ab und stopft es in die Tonne und alles geht wieder von vorne los und er hat mich nicht mal ansatzweise sexuell belästigt“, so eine Beschreibung der seltsamen Vorgänge. Insbesondere die letzte Information ließ einige Mitarbeiterinnen über einen Austausch durch Außerirdische spekulieren. Schließlich der für alle erlösende Schrei aus dem Chefbüro: „Heureka!“ Und ein erschöpft aber auch sehr stolz aussehender Chef schob wenig später eine Tafel in das große Besprechungszimmer, das beim Stadtkind auch Küche genannt wird. Über der Tafel ein Handtuch (ein 96-Badetuch, er war also noch immer der alte Chef), das verbarg, was darunter geschrieben stand. Alle ahnten: Hier drohte nun eine Sensation. Es folgte eine lange Rede über die Grünen und neue Verhältnisse in Deutschland, über Verantwortung, den Weltfrieden und den ganzen Rest. „Und darum“, so schloss unser Chef seine fulminanten Ausführungen, „habe ich beschlossen, dem Stadtkind einen neuen, zeitgemäßen Namen zu geben. Die Inhalte werden wir nach und nach in den kommenden Monaten entsprechend anpassen.“ Er zog das Handtuch herunter und wir lasen: „GRÜN – Das Klima-Tier-Umweltschutz-Gemeinwohl-Gendersternchen-Magazin für Hannover“ Genial! Da können die Mitbewerber endgültig einpacken.
Text: GAH