Jungs werden vorne nass, und böse Mädchen überall hin

Aus der Rubrik „Stadtkinder bewältigen den Alltag“

Bei DM gibt es seit einiger Zeit ein Extraregal für Männerprodukte. Es ist schwarz-weiß gehalten und heißt „Seinz“. Falls es wirklich 37 Arten von Kopfschmerzen gibt, tut deren Quersumme höchstens halb so weh wie das. Kann diesen armen, scheinbar schlecht orientierten Geschöpfen nicht zugemutet werden, zwischen all dem rosa Kram ihr Männerdeo, das Shampoo im Highend-Motoröl-Design oder das eine Dusch­gel ohne Glitzer rauszusuchen? War das so schlimm mit den Lady-Shaves in der Rasierecke? Muss man Männern ein kleines Refugium schön nah an der Kasse einrichten? Maskulin-eckig und unbunt, damit gar nicht erst irgendein Regenbogen-Verdacht aufkommt?

Ich möchte glatt jeden Mann, der sich in einen der tiefer liegenden Gänge mit Osterdeko und Putzmitteln verirrt hat, wegscheuchen: „Husch, du Dummer! Hier ist doch den Weibern IHRZ! Das merkst du doch, hier steht der Wickeltisch, Blödchen!“ Da sollte man dann gleich noch einen Kotzeimer hinstellen für Bullshit-Intolerante jederlei Geschlechts.

Mir kommt das vor, wie eine spätpubertäre Antwort auf das Gender-Marketing der Spielzeugindustrie. Ein paar Jungs, denen die Eltern zu oft das rosa Überraschungsei aus der Hand geschlagen haben, sind groß geworden, im Marketing gelandet und schmeißen sich jetzt auf den Boden und brüllen: „Ich will aber eine eigene Ecke ohne die doofen Mädchensachen!“ Denn die rosa Eier schreien natürlich mit ihrem Knatschdesign die Botschaft „Wir sind für Mädchen!“, aber im Subtext mindestens ebenso laut „Wir sind vor allem NICHT für Jungs!“ Die Mädchen wiederum haben einfach kein Problem, die hatten ihre rosa Eier und die anderen durften sie ja auch haben. Und die hatten die Playmobil-Ritter vom großen Bruder UND die Feen noch dazu. Voll ungerecht!

Man sollte da also etwas Großzügigkeit walten lassen, und Geduld. Wahrscheinlich wird das ganze, sobald Vollbärte nicht mehr en vogue sind, sowieso wieder abgeschafft. Bartpflegeprodukte in dieser Vielfalt haben einfach nirgendwo dazwischen gepasst, da brauchte es etwas Neues! Und wenn die Gattin sehen würde, wie er die Bartcreme „Mannheim“ für 24,45 Euro ins Körbchen legen will, bekommt er ja schon wieder was aus der Hand geschlagen.

Ich kriege mich also wieder ein. Nein, das Supermarkt-Männerregal mit Fleisch, Bier, Chips und Herrentorte wird es nicht geben, niemals. Genauso wenig wie Tankstellen für Frauen, Museen für Männer, Katzen- und Katerfutter, Herrenklopapier oder Aspirin Boys & Girls.

Unterschiedliche Windeln für Jungs und Mädchen zum Beispiel gibt es nicht mehr. Sieht man jedenfalls nicht. Aber Jungs werden doch vorne nass und Mädchen in der Mitte?! Stimmt. Nur ist etwas oberhalb der Mitte auch noch ziemlich in der Nähe und das ist alles, und hier passt das Wort einfach mal so richtig: scheißegal, weil die halt alle mal von oben bis unten nass werden, und gerne auch nicht nur das. Da verhalten sich die kleinen Biester nämlich total gleich, trotz unbestreitbarer anatomischer Unterschiede. Und das beste ist: Das hat sich rumgesprochen, und die Genderwindeln sind vom Markt, noch bevor sie jemand so nennen konnte. Könnte man ja mal draus lernen. Aber das braucht Zeit. Und bis dahin ist es nur fair, wenn Männer mindestens genau so von der Kosmetikindustrie ausgeplündert werden wie Frauen. Und wenn später, in einer besseren Welt, Damenbärte toleriert werden, wird die Kosmetikindustrie uns erzählen, dass Damenbarthaar ganz andere Pflegeansprüche hat als Herrenbarthaar, und eigene Frauenvollbart-Pflegeprodukte herausbringen. Wir werden ihnen das abkaufen.

Text: Annika Bachem


Schlagwörter:

Diesen Beitrag kommentieren

Stadtkind twittert