Erziehung mit Mutti Merkel

Aus der Rubrik „UNBEKANNT VERZOGEN – Das Elterntagebuch“

Wir erleben eine Zeitwende. Angela Merkel wird in diesem Dezember den CDU-Vorsitz abgeben – nach über 18 Jahren. Auch ihr Ende als Kanzlerin ist abzusehen. Für politisch Tote gilt wie für echte Leichen: Man rede nach dem Ableben nur Gutes! Loben wir also unsere ewige Kanzlerin als nützliches Vorbild in der Kindererziehung.

Da wäre zunächst der feministische Aspekt: Als Vater wünsche ich mir für meine Töchter Rollenvorbilder, die zeigen: Ihr könnt es ganz nach oben schaffen. Da bietet sich Angela Merkel natürlich an. Ihr Weg an die Spitze des muffig-katholischen Männerbundes CDU ist, egal wie man zu ihr steht, schlicht atemberaubend. Es war in etwa so, als hätte in der Bibel Maria erst Jesus persönlich ans Kreuz genagelt und wäre schließlich in den Himmel aufgefahren, um Gott vom Thron zu stoßen. Eben: unerwartet. Angela Merkel hat sich nie über das Patriarchat beschwert – sie hat die Patriarchen gekillt. Man könnte sagen: Gute Mädchen kommen in die Feminismus-Kolumne bei bento, böse Mädchen ins Kanzleramt. Danke, Merkel, dass sie meinen Kindern das vorgelebt haben.

Failure Culture: Nicht nur in der Start-up-Szene gilt: Fehler sind Schritte auf dem Weg zum Erfolg. Scheitern gehört dazu, das Weitermachen zählt. Das sollten Kinder früh verinnerlichen. Angela Merkel ist hier ein Paradebeispiel. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise ist folgender Satz von ihr überliefert: „Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin, nun sind sie halt da.“ Und nach der desaströsen Ohrfeigen-Bundestagswahl 2017 verkündete sie am nächsten Tag: „Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten.“ Genau so geht es. Nicht zaudernd zurückblicken – immer mutig vorwärts. Wundern Sie sich aber nicht, wenn ihr Kind nach der nächsten 6 in der Klassenarbeit verkündet: „Ich wüsste nicht, was ich anders machen sollte.“

Zum Wort stehen: Im Jahr 2013, nur Wochen vor der Bundestagswahl, sagte Angela Merkel folgendes: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ Ein halbes Jahr später beschloss der Bundestag die Maut, noch in dieser Legislaturperiode soll sie eingeführt werden. Was lernen Eltern daraus? Man muss Kindern frühzeitig die Bedeutung von Wörtern vermitteln. Wenn ein Kind verspricht „Mit mir wird es keine von Buntstiften bemalte Wandtapete geben.“ oder „Mit mir wird es keine im Bett verteilten Essensreste geben“, dann möchte man sich darauf verlassen können. Eine mahnende Erinnerung unserer Bundeskanzlerin, für die wir dankbar sein sollten.

Äußerlichkeiten zählen nicht: Über Merkels Blazer-Farben und ihre Frisur ist in Deutschland endlos diskutiert worden. Angie hat sich davon nie verrückt machen lassen. Das ist beispielhaft. Man könnte natürlich fragen: Gibt es irgendeine politische Reform von Merkel, die mehr positiven Wandel gebracht hat, als ihre Haar-Erneuerung von Udo Walz? Fest steht aber: Angela Merkel zeigt Kindern, dass man sich der Reduzierung aufs Optische entziehen kann. Denn: Seit man unserer Kanzlerin Landesverrat und Volksvernichtung vorwirft, hat sich zumindest niemand mehr über ihren Haarschnitt beschwert.

Lebenslanges Lernen: Angela Merkel war erst für die Wehrpflicht. Dann schaffte sie diese ab. Sie war gegen Mindestlohn. Dann führte sie ihn ein. Sie hielt Atomkraftwerke trotz Tschernobyl für absolut sicher – und ließ sich dann von Fukushima umstimmen. Sie setzte ehrgeizige Klimaziele – und legte sie wieder auf Eis. Prinzipienloser Opportunismus? Aber nein! Neugieriges Dazulernen und die Offenheit, den eigenen Standpunkt zu überdenken. So habe auch ich meine Meinung geändert. Ich bin jetzt Merkel-Fan – sie ist meine Mentorin. Und immer, wenn das Chaos bei uns Zuhause unerträglich wird, lehne ich mich zurück, atme tief ein und sage zu Frau und Kindern: „Ich habe jetzt zwar auch noch keine Lösung, aber – wir schaffen das.“

Martin Kontzog

Martin Kontzog ist staatlich anerkannter Vater –  ansonsten gilt seine Fürsorge dem Satire-Blog Pingu-Mania

 


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