Mitglied des Vorstandes Deutsche Messe AG zur „neuen“ CEBIT
Alles anders! Die CEBIT geht als Leitmesse ganz neue Wege. Nicht im März, im Juni darf sich Hannover nun über ein „Business-Festival“ freuen, Expo-Feeling inklusive. Wir haben mit Oliver Frese über die Neuausrichtung und das Programm im Juni gesprochen.
Herr Frese, die CEBIT wird im Juni tatsächlich völlig neu und anders sein … Ja, im Grunde sind nur der Name und der Standort erhalten geblieben, alles andere haben wir in Frage gestellt und verändert. Den Zeitpunkt, das gesamte Corporate Design, das Logo. Es ist ein komplett neuer Auftritt, ein neues Layout, neue Bilderwelten, eine neue Emotionalität. Ein neues Ticketsystem, ein neues Gelände-Set-up – jeder Aussteller muss umziehen und hat die Möglichkeit, sich neu auf dem Messegelände aufzustellen. Wir haben wirklich versucht, alle alten Zöpfe abzuschneiden. Wir haben jetzt vier Bereiche, „d!talk“, „d!cocomy“, „d!campus“ und „d!tec“ – und der d!campus ist das zentrale, tragende neue Element der gesamten Veranstaltung. Das Freigelände wird das pulsierende Herz der neuen CEBIT sein, man wird dort Digitalisierung anfassbar erleben können. Es wird dort Konzerte geben, einen Poetry-Slam und viele weitere Veranstaltungen, es wird digitale Kunstwerke geben und natürlich ist kulinarisch auf der Streetfood-Meile für alles gesorgt. Wir werden dort eine sehr entspannte Atmosphäre schaffen. Tagsüber heißt es „business“, abends wird gefeiert. Unterm Strich ein kompletter Umbau, intern haben wir das als Revolutionskonzept bezeichnet.
Warum war diese Neuausrichtung nötig? Wir haben mit der Business-Ausrichtung in den vergangenen Jahren zwar Erfolg gehabt, sind zum Beispiel stark im Bereich der IT-Professionals und auch der Top-Entscheider gewesen, aber wir hatten die jüngere Zielgruppe zwischen 25 und 35 Jahren nicht mehr im Fokus. Das sind allerdings die Entscheider von Morgen und es ist darum ein Muss, diese Zielgruppe anzusprechen. Das gelingt jedoch nicht durch einen evolutionären Prozess, wie in den vergangenen Jahren. Wir haben ja auch schon zuvor einzelne Themen implementiert oder hunderte Startups auf die Veranstaltung geholt. Insgesamt haben wir aber festgestellt, dass reine Messeformate zur Digitalindustrie nur noch bedingt passen. Eine Industrie, die selbst permanent in Bewegung ist und sich transformiert, die erwartet genau das letztlich auch von ihrer Leitveranstaltung. Das ist der Grund, warum wir alles auf den Kopf gestellt haben. Wir brauchten einen revolutionären Ansatz. Dafür haben wir einen Dreiklang entwickelt – mehr Leads, mehr Erlebnis und mehr Inspiration. Wir wollen mit der Neuausrichtung der CEBIT hier in Hannover ein Event zur digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft als Leitevent in Europa schaffen. Und wir möchten dabei alle Akteure der Digitalisierung an einem Ort zusammenbringen, um damit letztlich auch unserem Auftrag als Deutsche Messe AG gerecht zu werden.
Aber die Business-Ausrichtung bleibt dennoch im Kern erhalten. Ja, im Kern ist die CEBIT weiterhin eine Businessveranstaltung, die Unternehmen investieren viel Geld, um ihren Kunden und potenzielle Neukunden zu erreichen, sich mit ihnen auszutauschen. Aber wenn es unser Anspruch ist, wirklich alle Akteure der Digitalisierung zusammenzubringen, und eben auch die junge Zielgruppe anzusprechen, dann braucht es ganz neue Formate, mehr Emotionalität, mehr Abendveranstaltungen, mehr Leben auf dem Campus. Und so kommen nun am Mittwoch Jan Delay und am Donnerstag Digitalism. Für den Dienstag stehen wir momentan noch in Verhandlungen mit dem Hauptact. Eins ist aber sicher, es wird krachen, wir wollten keine Lagerfeuerromantik, wir wollen die große Glocke schlagen. Und wünschen uns natürlich auch einen entsprechenden Zuspruch. Darum haben wir ja auch das Ticketsystem neu ausgerichtet. Mit dem Firesight-Ticket kann man nun ab 17 Uhr für 15 Euro im VVK auf das Gelände kommen, noch zwei Stunden CEBIT mitmachen und ab 19 Uhr im Freigelände feiern mit Jan Delay, Digitalism und vielen anderen. Wir werden mit diesem Firesight-Ticket so ein bisschen Expo-Feeling zurückbringen.
In den vergangenen Jahren war die CEBIT immer „draußen vor der Stadt“, so jedenfalls haben das viele Leute in Hannover wahrgenommen. Wird es nun auch wieder deutlich sichtbare Verbindungen zu Hannover geben? Das spielt sogar eine ganz zentrale Rolle. Wir wollen einen ganz neuen Brückenschlag zur Landeshauptstadt. Darum haben wir bereits zum Start der Neuausrichtung nicht allein mit den großen Unternehmen im Messeausschuss gearbeitet, sondern darüber hinaus auch viele Akteure aus Hannover an den runden Tisch geholt. Die Üstra, den Bahnhof, den airport, das Taxigewerbe, die Dehoga, Hannover Marketing, die Citygemeinschaft und nicht zuletzt die Kreativ- und die Clubszene. Die sind in vielen unterschiedlichen Arbeitsgruppen immer wieder zusammengekommen. Und unser Kuratorium war natürlich ebenfalls an Bord. Aus dieser Zusammenarbeit sind das Konzept für das Messegelände und auch alle Aktionen entstanden, die wir mit Hannover für Hannover in Hannover machen. Man wird am Airport, am Bahnhof, im Taxi, in der City, am Kröpcke, man wird überall merken, dass CEBIT ist. Und wenn wir um 23 Uhr auf dem Messegelände aufhören, geht es in Hannovers Clubszene weiter. Es wird auch Übertragungen geben auf dem Kröpcke, eine Lounge, dort werden von der HAZ moderierte Panels zum Thema Digitalisierung laufen. Wir werden Vorträge aus unserem Konferenzprogramm streamen vom Messegelände. Und wenn wir unter dem Hermesturm am Freitag um 17 Uhr den Schlussakkord setzen, wird es mit einem hochkarätigen Programm um 18 Uhr auf der Bühne weitergehen mit vier Acts bis 24 Uhr. Wir werden in Hannover auch wieder Schaufenster-Wettbewerbe haben, man wird das neue Branding der CEBIT überall sehen. Wenn man nicht mitbekommen möchte, dass CEBIT ist, darf man im Juni das Haus nicht verlassen und muss alle Medien abschalten.
Wie lange dauert so eine komplette Neuausrichtung? Normalerweise ist es doch sehr mühsam, einen solchen Riesentanker in eine andere Richtung zu steuern. Zunächst mal kommt eine solche Neuausrichtung ja nicht von ungefähr. Wir arbeiten seit vielen Jahren sehr eng mit dem Markt zusammen, mit den Top-Entscheidern von Unternehmen wie IBM, SAP, Telekom, Fraunhofer Gesellschaft und so weiter. Und im sogenannten Messeausschuss kommt dabei natürlich auch die konzeptionelle Entwicklung zur Sprache. Es gab im Vorfeld zudem diverse Marktforschungsaktivitäten. Unter anderem haben wir Besucher gefragt, die nicht mehr zur CEBIT gekommen sind, warum sie nicht mehr kommen. Und das haben wir auch die Aussteller gefragt. Die Ergebnisse haben wir dann knapp anderthalb Jahre vor der CeBIT 18 zusammengeführt. Und uns dazu umgesehen: Wo sind wir gut? Wo sind wir nicht gut? Wie entwickeln sich die Wettbewerbsformate? Also wo stehen wir im Wettbewerb? Was machen die Veranstalter von „South by Southwest“, vom „Websummit“ oder beim „Burning Man“? Wir haben das alles analysiert – und im Anschluss den Unternehmen gesagt, dass wir möglicherweise keinen evolutionären Weg gehen möchten, sondern einen revolutionären Weg. Im Januar/Februar 2017 war diese Idee so reif, dass wir sie ausgewählten Unternehmen und Verbänden vorgestellt haben und in die Diskussion eingestiegen sind. Und das Feedback war sensationell. „Genau so!“, das war der Tenor. Natürlich war es zunächst mal eine Idee und wir haben das nur im Holzschnitt kommunizieren können. Aber wir wussten im Anschluss, dass die Richtung stimmt. Und so sind wir direkt einen Tag nach der CEBIT 2017 in einen agilen Prozess eingestiegen und haben ein interdisziplinäres Projekt gestartet, hierarchieübergreifend und mit ganz neuen Methoden.
Also wirklich alles neu, auch die Zusammenarbeit im Unternehmen? Ja, und das hat großen Spaß gemacht. Da sitzt man als Vorstand mit im Team, hat aber keine Vorstandsrolle. Wir dutzen uns alle, sagen uns gegenseitig die Meinung. In so einer Runde nimmt man auch gerne mal etwas zurück, wenn man sich vergaloppiert hat und abends geht man noch ein Bier trinken. Man kommt schnell zusammen, kurz zusammen, dann geht es weiter in anderen Arbeitsgruppen, alles sehr dynamisch. Das war nebenbei auch gut für das Unternehmen Deutsche Messe AG. Durch den CEBIT-Veränderungsprozess haben wir gleichzeitig viele Veränderungen im Unternehmen angestoßen und sind sozusagen aufgebrochen ins digitale Zeitalter. Das war ein wirklich guter Nebeneffekt, sozusagen ein Beifang, der nachhaltig wirken wird.
Wie groß ist denn der Druck so kurz vor der CEBIT? Gibt es Sorgen, ob das neue Format angenommen wird? Gibt es manchmal schlaflose Nächte? Wir sind positiv angespannt, würde ich mal sagen. Aber schlaflose Nächte gibt es nicht. Von der Ausstellerseite können wir schon jetzt sagen, dass die CEBIT 2018 ein Erfolg ist. Wir haben alle großen Marken an Bord und werden die gesetzten Ziele wahrscheinlich noch übertreffen. Und wir bekommen neue Unternehmen hinzu. Und die Aussteller ziehen insgesamt mit und sorgen ihrerseits noch einmal für den Festival- und Event-Charakter. SAP baut beispielsweise ein Riesenrad auf dem Freigelände. Was die Besucherseite angeht, bin ich darum auch sehr optimistisch gestimmt. Ich bin ja gebürtiger Hannoveraner. Und ich weiß darum, dass Hannover eine große Begeisterung für den Messestandort hat. Wenn es uns gelingt zu kommunizieren, was die Besucher auf der CEBIT erwartet, dann wird es funktionieren. Darüber hinaus sprechen wir natürlich nicht nur Hannover an. Die CEBIT ist weiter eine hochinternationale Veranstaltung. Natürlich sind wir auch ein Stück weit vom Wetter abhängig, das muss man ganz klar sagen. Aber allein der Juni-Termin hat in der konzeptionellen Entwicklung bei unseren Ausstellern und Partnern regelrechte Kreativitätschübe ausgelöst, die ich von der alten CEBIT so nicht kannte. Also, ich bin nicht nervös, ich freue mich sehr auf die Veranstaltung.
Interview: LAK
Foto: Deutsche Messe