Aus der Rubrik „Stadtkinder bewältigen den Alltag“
Wer jetzt in der Fastenzeit ein gesünderer Mensch werden, oder zumindest erst mal anderen dabei zusehen möchte, wie sie gesündere Menschen werden, dem sei die Sendung „die Ernährungs-Docs“ ans Herz gelegt. Hier bewerben sich an unterschiedlichsten Krankheiten Leidende bei einem sehr telegenen Ärzteteam, das in einem schnittigen Hausboot logiert. Es ist ganz wunderbar, mit anzusehen, wie den Leuten geholfen wird, die oft am Anfang total verzweifelt sind, und solange man sich selbst gut fühlt, kann man sich das ganz entspannt ansehen.
Ich denke immer, guck mal, wenn ich all diese fürchterlichen Beschwerden bekomme, kann ich ja immer noch meine Ernährung umstellen – und hole mir noch ein Glas Rotwein. Der steckt ja voller Antioxidantien. Forscher der Universität Saarland haben laut „Focus“ sogar herausgefunden, dass es den negativen Gesundheitseffekt einer Zigarette mindert, wenn man vor dem Rauchen ein Glas Rotwein trinkt. Klar, natürlich sollte man besser beides lassen, aber wenn schon Zigarette, dann ein Glas Wein davor. Bingo! (höre ich den Rest der Rauchergemeinde leise krächzen), und mehr solche Studien bitte.
Bei den Ernährungs-Docs blieb das komischerweise bisher unerwähnt. Eine Dame wurde dort neulich von einer chronischen Entzündung geheilt, indem sie täglich eine Hauptmahlzeit durch einen Smoothie aus Brennnessel, Giersch, Vogelmiere, Curcuma und irgendwas anderem ersetzt hat. Und das monatelang. Ich würde gern wissen, wie viele Probanden die durch das Programm nudeln mussten, bevor das mal jemand durchgehalten hat. Außerdem fehlt mir dafür auch die frei stehende Villa mit dekorativ teilverwildertem Garten, wo ich morgens mit einem Körbchen über dem Arm meinen Frühtau-glänzenden Giersch sammeln gehen kann. Oder ich lasse den Balkon verwildern, Vogelmiere kriege ich da hin und Giersch wird durch Spinat ersetzt. Das wäre dann sogar noch bienenfreundlich. In einem Anfall von Bienenfreundlichkeit gepaart mit Bienenfleiß habe ich letzten Sommer Totholz aus dem Wald angeschleppt, zersägt, zerbohrt und ein Bienenhotel draus gebaut. Seither starre ich erwartungsvoll drauf und warte. Mein Hotel hat leider eine Auslastung von Null Prozent. Es sind dann so kleine Hummeln in ein schiefes, uraltes Ivar-Regal direkt daneben eingezogen, das nur deshalb nicht umfällt, weil es von einer Kletterpflanze gehalten wird. Das ist natürlich auch irgendwie Totholz, und die Bohrungen, wo man eigentlich diese kleinen Metallzapfen für die Regalböden reinstecken soll, waren wohl einladend, obwohl sie in Tiefe und Durchmesser überhaupt nicht den NABU-Vorgaben entsprechen. Das konnten die Bienchen natürlich nicht wissen, aber vielleicht kommen sie ja zur Besinnung und ziehen im Frühjahr um. Und ansonsten ist das mein Tipp für die absolut nachhaltige Weiterverwendung von Ivar-Regalen, raus damit und besiedeln lassen. Vielleicht schlägt ja auch noch eins aus.
Echtholz sollte es allerdings schon sein, ob Bienen diese gepressten Sägespänen mit Furnier mögen, möchte ich bezweifeln. Aber wer weiß, Insekten sind ja doch recht eigensinnig. Vor vielen Jahren habe ich mal Marienkäferlarven bestellt, um ökologisch vorbildlich eine Blattlaus-Plage zu bekämpfen. Allein schon das Gesicht des Nachbarn, der auf dem Höhepunkt der Anthrax-Hysterie das mit allerlei Warnhinweisen und der Aufschrift „Bio-Protect“ bedruckte Päckchen entgegengenommen hatte, war es wert. Die Tierchen wirkten zuerst etwas lahm, wurden aber deutlich agiler, als sie meinen Blattlaus-Vorrat entdeckt haben. Und dann taten sie genau was sie sollten und haben ein paar davon weggeputzt. Anschließend haben sie sich verpuppt und sind alle weggeflogen. Undankbar. Nächstes Mal baue ich ihnen ein Hotel.
Annika Bachem