Ein letztes Wort im Dezember …

Herr Weil, als Politiker kenne ich Sie ja nun schon eine ziemlich lange Zeit, über Stephan Weil privat haben Sie mir bisher nicht sehr viel verraten. Ich habe mal nachgesehen, wir haben vor Jahren in einem Interview ganz kurz über Ihren Sohn gesprochen. Ich komme auf das Thema, weil ich am Wahlabend Ihren Bruder im Interview gesehen habe – und ich mich darüber gewundert habe, dass ich gar nicht wusste, dass Sie überhaupt einen Bruder haben. Sie lassen sich privat nicht so gerne in die Karten schauen, beziehungsweise trennen das sehr strikt.
Ja, und das wird auch so bleiben. Ich ziehe tatsächlich eine klare Grenze zwischen öffentlich und privat. Zu meinen Freizeitbeschäftigungen kann ich beispielsweise gerne etwas sagen, aber wenn es um meine Familie geht, gibt es keinen Kommentar. In Bezug auf meine Frau und meinen Sohn bin ich mit Informationen sehr restriktiv.

Mit Ihnen wird es also keine Interviews und Fotostrecken in der Bunten geben.
Das will ich gar nicht sagen, aber Fotos von zu Hause oder aus dem Urlaub gäbe es nicht und sicher auch kein Partnerinterview. Letztlich muss man das differenziert betrachten: Wer ein öffentliches Amt anstrebt, wer gewählt werden möchte, der wirbt um Vertrauen. Und ob man Vertrauen bekommt, das hängt nicht nur mit den politischen Positionen zusammen, sondern auch mit der Persönlichkeit, mit dem Charakter. Darum gibt es bis zu einem bestimmten Grad durchaus auch eine Art Offenbarungsverpflichtung. Ein Politiker sollte authentisch und ehrlich sein. Aber es gibt eben einen Unterschied zwischen dem öffentlichen Raum und dem privaten Raum. Und auf diese letztgenannte Unterscheidung lege ich großen Wert.

Frau Merkel macht das ja seit Jahren ganz ähnlich, diese strikte Trennung und die Wiederholung der immer gleichen Geschichten von der Brotsuppe, die sie so gerne isst.
Ja, und ich trinke hin und wieder mal ein Bier, gehe zum Fußball und jogge gerne.

Aber bei Ihnen stimmt’s.
Ich glaube, dass das auch bei Frau Merkel stimmt. Im Ernst, ich mag politisch nicht oft ihrer Meinung sein, aber die Art und Weise, wie sie mit der Trennung von öffentlich und privat umgeht, ist für mich vorbildlich.

Apropos Vorbild: Frau Merkel hat gerade eine ganze Weile Große Koalition hinter sich. Sie haben jetzt fünf Jahre vor sich. Bei Ihnen ist diese Große Koalition allerdings alles andere als ein Herzenswunsch.
Nein, das ist sie nicht und daraus habe ich auch nie einen Hehl gemacht. Ich hätte die Arbeit mit den Grünen sehr gerne fortgesetzt. Aber die Wählerinnen und Wähler haben das anders entschieden. Es war wieder sehr knapp, aber diesmal ist der Ball eben auf die andere Seite vom Netz gefallen. Ich hätte mir auch gut eine Ampelkoalition vorstellen können, der hat sich allerdings die FDP konsequent verweigert. Und so haben wir nun die Große Koalition. Wir haben jetzt eine gemeinsame Verantwortung für dieses Land.

Was sagen Sie zur Haltung der FDP?
Ich begreife sie nicht, bis heute nicht. Aber ich bin nicht der Vorsitzende der FDP, sondern der SPD und muss mir glücklicherweise nicht den Kopf über die Liberalen zerbrechen. Die FDP wird es allerdings in den nächsten Jahren nicht leicht haben. Wir haben im Landtag eine sehr große Koalition und eine zersplitterte Opposition. Die FDP ist fast eingeklemmt zwischen der AfD und den Grünen. Ob sie sich dort wohlfühlen wird, da erlaube ich mir mal ein Fragezeichen. Aber die nächsten Jahre werden das zeigen.

So richtig verstanden habe ich das klare „Nein“ auch nicht, zumal sich die FDP Jamaika hätte vorstellen können. Also auch eine Zusammenarbeit mit den Grünen. Aber nicht in der Ampel. Schon ein bisschen schräg.
Ja, das passte alles nicht wirklich zusammen. Aber wie gesagt, das ist jetzt vergossene Milch.

Ist die Gefahr bei so einer Großen Koalition im Land nicht, dass es drei Jahre gut geht, man die beiden letzten Jahre dann aber schon abhaken kann, weil es bereits wieder in den Wahlkampf geht?
Ich hoffe nicht. Es gibt, das muss man auch gar nicht schönreden, Risiken und Nebenwirkungen bei einer Großen Koalition – und gerade bei einer derart großen Großen Koalition. Eine Dreiviertel-Mehrheit im Landtag für die Regierungsparteien, ist wohl auch kein Idealzustand für eine Demokratie. Darum werden wir auch im Konsens mit der CDU die Minderheitsrechte stärken. Wir können kein Interesse daran haben, dass es im Landtag langweilig wird. Wir wollen in der Großen Koalition nicht zu behäbig werden. Und wir müssen natürlich ab jetzt auch tatsächlich gut zusammenarbeiten und uns nicht nur wechselseitig misstrauisch beäugen. Ich bin da im Grundsatz optimistisch. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch deutliche Chancen. Wir können Themen angehen, die in anderen Konstellationen nicht machbar wären. Niedersachsen kann davon profitieren und sehr stabil und sehr erfolgreich durch die nächsten Jahre kommen.

Die Große Koalition stand sehr schnell, das Vertrauen wird sich wahrscheinlich erst allmählich einstellen, nach den Jahren der sehr harten Konfrontation im Landtag.
Dass die beiden großen Parteien in Niedersachsen nach 47 Jahren nun wieder zusammenarbeiten, kann für die
politische Kultur in Niedersachsen nur positiv sein. Wir können die Schützengräben verlassen. Beide Seiten haben sich erkennbar vorgenommen, es miteinander zu versuchen. Und guter Wille hilft. Aber Vertrauen entsteht natürlich nicht von jetzt auf gleich, das wird wachsen müssen.

Wird man von Ihnen persönlich künftig mehr hören zur SPD im Bund? Werden Sie sich mehr einbringen?
Ich habe mich auch in den vergangenen Jahren immer wieder eingebracht – wenn auch nicht immer lautstark. Und natürlich werde ich das auch weiterhin und sogar verstärkt tun. Die SPD auf Bundesebene ist wirklich in einer schwierigen Situation und ich sehe mich durchaus in der Pflicht, meinen Teil dazu beizutragen, dass meine Partei aus dieser schwierigen Lage wieder herausfindet.

Es gibt ja momentan so eine Art Richtungsstreit. Die einen ziehen und drängen nach links, die anderen wollen noch mehr die Mitte besetzen. Auf welcher Seite stehen Sie?
Auf gar keiner. Ich will Ihnen das gerne erklären. Die SPD ist erfolgreich, wenn sie bodenständig und bürgernah auftritt und sich ganz konkret als „Kümmerer“ präsentiert. Und eine erfolgreiche SPD ist interessant und attraktiv für die Menschen. In Niedersachsen hat die SPD ungefähr 250.000 Stimmen neu hinzugewonnen, die kamen von den Nichtwählern, von den Grünen und von der Union. Es ist uns gelungen, vielen Menschen zu vermitteln, dass wir uns kümmern. Und das ist nicht nur ein Eindruck, sondern eine Tatsache. Wir stehen nicht über oder neben der
Gesellschaft, wir sind ein Teil der Gesellschaft in Niedersachsen. Mittendrin. Und das wünsche ich mir auch für meine Bundespartei.

Bei der Bundes-SPD gab es nun auch einige Stimmen, die gefragt haben, ob Gerechtigkeit denn nun wirklich das richtige Thema gewesen sei.
Gerechtigkeit wird sicher weiter ein ganz zentrales Thema und ein wichtiges Standbein der SPD bleiben. Aber auf einem Bein kann man eben nicht stehen. Die SPD hat eine große wirtschaftliche Kompetenz, die müssen wir überall in Deutschland stärker herausstellen. In Niedersachsen haben wir nicht nur signalisiert, dass wir ein Interesse an einer erfolgreichen Wirtschaft haben, sondern dafür auch einiges in Gang gesetzt. Auch das hat sich in den Ergebnissen der Landtagswahlen ausgezahlt. Ich habe mich gefreut darüber, dass mir als SPD-Kandidaten eine höhere wirtschaftliche Kompetenz beigemessen wurde als meinem CDU-Mitbewerber. Das ist selten der Fall. Im Grunde ist das aber nichts Neues, das war bereits eine Grundregel von Gerhard Schröder in den 90er Jahren. Darüber hinaus empfehle ich meiner Partei beispielsweise, ein gutes und belastbares Konzept für eine tiefe Strukturreform in unserem Gesundheitswesen zu entwickeln. Es kann nicht sein, dass Pflegekräfte derart schlecht bezahlt werden, dass sie sich mit Paralleljobs über Wasser halten müssen. Oder dass in den Krankenhäusern Pflegenotstand herrscht und am Ende auf einer Station nachts eine Pflegekraft für 40 Menschen verantwortlich ist. Das ist unzumutbar für alle Beteiligten. Das gehört für mich ebenso zum Thema Gerechtigkeit, wie beispielsweise eine gute Bildungspolitik.


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