„Wir werden sie jagen“ – Ein dreifaches Horrido!

Vor vier Wochen fand in Annaberg-Buchholz in Sachsen der Gründungskongress des „Deutschen Schrotflinten-, Revierschutz- und Teckelkrawatten-Verbandes“ statt. Der Verband sieht sich laut Presse­mitteilung als „Alternative zu den herkömmlichen, vom System korrumpierten deutschen Jagdverbänden“. Zwar waren beim Kongress keine Pressevertreter zugelassen, aber dem Stadtkind wurde die Rede zugespielt, mit der sich der später gewählte Vorsitzende A.G. (Name der Redaktion bekannt) um dieses Amt bewarb. Wir haben lange diskutiert, ob wir die Rede veröffentlichen sollen. Es gab gute Gründe dagegen, aber weil wir – wie alle Presseorgane – die Hosen gestrichen voll haben, haben wir uns entschlossen, den Text hier im vollen Wortlaut zu dokumentieren. Sonst ruft uns wieder jemand auf der Straße „Lügenpresse“ hinterher und unterstellt uns, wir wären einseitig rotgrün-versifft. Um das zu verhindern starten wir mit dieser Veröffentlichung eine neue basisdemokratische Diskursreihe unter dem Arbeitstitel:  Die „Sorgen und Nöte der jagenden Bevölkerung ernst nehmen.“ Oder so ähnlich.

„Liebe Jäger und Jägerinnen, die Jagd ist nicht nur gelebter Naturschutz, sondern ein völlig normaler, um nicht zu sagen ein konstituierender Bestandteil unserer Kultur. Heute genügt es jedoch schon, Begriffe wie ‚Jagd‘ und ‚jagen‘ nur auszusprechen – schon empört sich das linksliberale Juste-Milieu. Ebenso bei Worten wie ‚Heimat‘, ‚Gau‘, ‚Land‘ oder ‚jüdische Finanzkrake‘. Verstehe das, wer will.

Unser Bundesjagdgesetz ist eines der bes­ten Jagdgesetze der Welt. Es beruht auf dem Reichsjagdgesetz vom 3. Juli 1934, das von Reichs­­jägermeister Hermann Göring erlassen wurde. Es formuliert Dinge, die  für jeden Deutschen selbstverständlich sein sollten, zum Beispiel, dass mit dem Jagdrecht auch zwingend die ‚Pflicht zur Hege‘ verbunden ist. Es geht also keineswegs nur um das Entsorgen, Töten oder gar Ausrotten, wie gerne unterstellt wird, sondern in Paragraph 2 heißt es klar und deutlich: ‚Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen‘.

Angestrebt wird also: Artenreichtum. Vielfalt. Oder wie wir Akademiker sagen: Diversität. Um das möglich zu machen, muss der Wildbestand jedoch – ich bleibe hier beim Wortlaut des Gesetzes –  ‚landschaftlich und landeskulturell angepasst‘ sein. Nicht alles ist also erhaltenswert. Sagt das Bundesgesetz. Francois Mitterand hätte es wohl ähnlich formuliert.

Wir alle wissen, dass das Befolgen der Gesetze nicht immer einfach ist. Wer hat nicht schon einmal im Überschwang den Holocaust geleugnet, einem linken Verleger auf der Frankfurter Buchmesse ins Gesicht geschlagen oder einer Oktoberfestbedienung in den Schritt ‚gegrabbed‘? Wem ist nicht schon einmal in feuchtfröhlicher Runde ein übermütiges ‚Frei, sozial und national‘, ‚Muslime ab nach Mekka‘ oder ein beiläufiges ‚Juda verrecke‘ rausgerutscht? Sollte nicht passieren, sicher, kommt aber vor. Wir sind ja alle nur Menschen. Meist ist es ja auch nicht so gemeint. ‚Verrecken‘ ist zum Beispiel ein normales deutsches Verb, das auch schon von Goethe benutzt wurde, und ‚Juda‘ ist der Nachname des 1983 geborenen kasachischen Radrennfahrers Juri Juda, der 2003 Dritter bei der kasachischen Zeitfahrmeisterschaft wurde und im Anschluss eine Etappe bei der ‚Jelajah Malaysia‘ gewann. Was soll daran also schlimm sein? Oder provokativ?

Aber bei aller Nachsicht gegenüber kleineren Gesetzesübertretungen: Wenn es um die Jagd geht, ist Paragraphentreue oberste Bürger- und Jägerpflicht. Wenn sich zum Beispiel, der landschaftsfremde Procyon lotor, der nordamerikanische Waschbär, in Südniedersachsen und Nordhessen unkontrolliert vermehrt und ausbreitet, dann ist die konsequente Bejagung unumgänglich. Wenn der Eindringling, der in seinem eigenen Habitat durchaus seine Berechtigung hat, im historischen Kasseler Villenviertel Wilhelmshöhe jeden zweiten Dachboden besetzt hält und zukotet und deswegen die Leis­tungsträger dort nicht mehr wissen, wo sie die von Opa geerbte Jünger-Gesamtausgabe und ihre Militaria-Sammlung lagern sollen, dann müssen wir im Sinne der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung  und zum Schutz des autoch­thonen Tierbestands einschreiten. Sicher: Wir alle finden Waschbärbabys niedlich. Dennoch dürfen wir uns nicht von ihren braunen Knopfaugen erpressen lassen. Sondern durchladen. Es geht um die Vielfalt. Weidmannsheil.“

 Hartmut El Kurdi


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