Es gibt deutlich schönere Ecken in Hannover, um ein Restaurant zu eröffnen, aber sei‘s drum. Mitten auf der Berliner Allee hat Oldus Weißer seine Speiserei angesiedelt. Er wirbt mit guter deutscher Küche und mit ausgesuchten Thai-Gerichten.
In einem geschmackvoll eingerichteten Gastraum werden wir herzlich begrüßt und an unseren Tisch geleitet. Wir sehen uns um: Helles Holz, hohe Decken, nicht überladen und nicht zu kahl – insgesamt sehr stilvoll, aber gemütlich. Uns fällt direkt auf, dass offenbar ausreichend Personal zur Verfügung steht, eine Tatsache, die uns freut. Unsere Servicekraft ist nicht nur äußerst aufmerksam, freundlich und verbindlich, sie versteht auch etwas von ihrem Job und ist ohne lange zu überlegen in der Lage, uns den passenden Wein zu empfehlen. Zunächst werden wir aber mit einem Aperitif versorgt (Sherry zu 5 Euro und Martini, 3,50 Euro). Wir entscheiden uns für die Vorspeisenvariation (12 Euro), die für zwei Personen mehr als angemessen ist. Neben Weiß- und Graubrot mit zwei unterschiedlichen Pasten auf Mayonnaisebasis enthält die Platte eine kleine Portion hausgemachter Tom-Kha-Gai-Suppe, eine Garnele im Kartoffelmantel, einen Saté-Spieß, zwei kleine Frühlingsrollen, Carpaccio vom Rind und Thunfisch sowie ein herausragendes Vitello Tonnato. Der Crossover-Teller mit den doch eher italienischen und thailändischen Vorspeisen macht Lust auf mehr.
Da wir herausfinden möchten, ob die „gute deutsche Küche“ wirklich so gut ist, entscheiden wir uns für den Tafelspitz mit Bouillongemüse (14 Euro), zu dem man uns gerne zusätzlichen Meerrettich reicht, und für das kleine Kalbsschnitzel (14 Euro, groß 19 Euro) mit Bratkartoffeln, Gurkensalat und Preiselbeeren. Was sofort auffällt: Das Rind hat eine tolle Qualität. Der Tafelspitz, der statt aus gekochter Ochsenbrust aus Kalbsbrust serviert wird, ist zart und saftig, der zusätzliche Meerrettich lässt vergessen, dass die Bouillon ruhig etwas kräftiger hätte sein können – alles in allem vorzüglich. Das Schnitzel ist perfekt paniert, sehr zart und hat einen tollen Buttergeschmack. Ein angenehmes Detail: Die Zitronenspalte ist richtig aufgeschnitten, so dass uns der Saft beim Auspressen weder ins Auge noch über den ganzen Tisch spritzt. Der Gurkensalat ist solide und die Bratkartoffeln – in ihrer Einfachheit leider oft eine Hürde für Köche – sind knusprig, aber nicht tranig. Ein absolut gelungenes Gericht. Auch die Größe der Portionen ist angemessen, ein „kleines“ Schnitzel ist mehr als ausreichend.
Bei den Desserts vermissen wir die deutsche Küche und entscheiden uns deshalb für die Dessertvariation (9 Euro), bestehend aus Mousse au chocolat, Panna cotta, Tiramisù und Crème brûlée. Was eine französisch-italienische Entente cordiale hätte sein können, ist leider etwas enttäuschend. Die zu dünne Zuckerkruste der Crème brûlée lässt den typischen Karamellgeschmack vermissen, der Tiramisù fehlt der Kaffee. Die Mousse au chocolat ist zwar fluffig, dafür aber zu süß mit viel zu starkem Geschmack nach Vollmilchschokolade und die Panna Cotta ist nicht stichfest, sie erinnert in Konsistenz und Geschmack eher an ein Buttermilchdessert. Nichtsdestotrotz hat uns die Speiserei überzeugt: Der herausragende Service, die Qualität und das Ambiente machen die Tatsache, dass uns hier und da etwas mehr Würze fehlte und die Defizite auf der süßen Position mehr als nur wett. Auch unsere anfängliche Verwirrung über die Karte, die neben deutscher und Thaiküche auch Pasta und Steaks bietet, ist längst vergessen, wir werden sicher wiederkommen.
Text: UM, Fotos: Fotos: © Gero Drnek
Berliner Allee 33
30175 Hannover
www.speiserei-hannover.de
Di – So: 11:30 Uhr bis open end