Aus der Rubrik „Stadtkinder bewältigen den Alltag“:
Gibt es eigentlich statistische Erhebungen darüber, ob die Autokorrektur mehr Fehler verhindert als sie erzeugt? Praktisch war die Sache ja am Anfang, vor etwa 20 Jahren, als Rechtschreibhilfen in Textverarbeitungsprogrammen noch so dezent waren, Fehler anzukringeln und Korrekturen vorzuschlagen, anstatt sie gleich einzuarbeiten. So blieb meiner Professorin in einer kunstgeschichtlichen Hausarbeit die Kathedrale Saint Penis erspart, die damals anstatt der doch eigentlich sehr berühmten Pariser Kirche mit ähnlichem Namen vorgeschlagen wurde. Heute ist das anders, vor allem, wenn man mit dem Smartphone unterwegs ist. Die Korrektur ist bereits eingearbeitet, bevor man den Satz zu Ende gedacht hat.
So konnte es dazu kommen, dass ich einer Freundin per SMS vorgeschlagen habe, ihre Tochter mit zum Faschismusumzug zu nehmen. Himmel! Natürlich wollte ich Faschingsumzug schreiben. In dem Fall habe ich, zumal das Kind afrikanische Wurzeln hat, schnell angerufen, um Missverständnissen vorzubeugen. Und kam mir dabei vor, wie mein von technischen Neuerungen nach 1980 etwas überforderter Nachbar, der gerne mal anruft, um zu fragen, ob seine SMS angekommen sei. Öfter schon habe ich Nachrichten mit einem fröhlichen „KFZ!“ beendet, was die Korrektur rätselhafterweise aus „LG“ für „liebe Grüße“ macht. Neulich bekam ich eine Nachricht mit dem Inhalt „Klopp ist Kaffee glitzischwamm“. Hä? Gut, dass ich am „Glitzischwamm“ meine eigene Einkaufsliste erkannt habe. Aus „Klopapier“, das so dringend fehlte, hatte das Programm „Klopp“ gemacht.
Mal ganz ehrlich, was fällt diesem Ding eigentlich ein? Ich weiß natürlich, dass das alles Algorithmen sind, aber bloß weil scheinbar Leute 1000x häufiger „Klopp“ schreiben als „Klopapier“, muss ich mir den Kopf zerbrechen, was mein Smartphone meint? Und am geilsten finde ich, dass dieses Teil anscheinend denkt, ich sei zu blöd, „Klopp“ zu schreiben. Ich kann sogar Algorithmus schreiben!
Und überhaupt möchte ich nicht von Geräten bevormundet werden. Also, von keinem, aber schon gar nicht von meinem Telefon. Ich mag es auch nicht, wenn das Auto piept, weil man nicht angeschnallt ist. Oder wenn es gar nicht erst losfährt, weil es den Schlüssel nicht erkennt (nur weil er ein kleines bisschen nass geworden ist beim Baden).
Möglicherweise wollen all diese Geräte auch die Herrschaft übernehmen und wir müssen uns wehren! Sehr charmant und einfach auch goldrichtig fand ich daher das Vorgehen einer Freundin, die das brandneue, mit so einem Rückfahr-Piepswarnsystem ausgerüstete Familienauto, rückwärts gegen einen Pfeiler gesetzt hat. Auf die entsetzte Frage ihres Mannes, ob sie denn den Piepton nicht gehört hätte, sagte sie: „Doch, aber da war nichts!“ Soviel ziviler Ungehorsam wird vielleicht bald nicht mehr möglich sein, wenn alle Autos mit bevormundenden Einparkhilfen ausgestattet sind, und das alleine machen.
Wollen wir das? Nein! Sonst setzen uns unsere selbstfahrenden Autos demnächst am Fitness-Studio ab, wenn wir ins Kino wollten, weil sie festgestellt haben, dass unser BMI über 25 ist. Oder parken ein paar Blocks von zu Hause weg ein und sagen: „Geh zu Fuß, du Pfeife!“
Also, Schluss mit der Schlaumeierei, ihr Geräte! Wir füttern euch mit Toner und entkalken euch, wann WIR wollen! Und wenn ihr bockig seid, dann geht halt kaputt. Nur mein Smartphone besser nicht, denn das brauche ich ganz dringend, um grinsende Kackhaufen in alle Welt zu verschicken.
Annika Bachem