Trickfilmerin und Fotografin
Sternzeichen: Zwillinge
Katrin Ribbe, freischaffende Fotografin und Trickfilmerin und seit 2009 Hausfotografin am Schauspiel Hannover, ist 41 Jahre alt, alleinerziehende Mutter zweier Töchter und wohnt in der List. Ihre Porträtserie „boss“ ist vom 22. Januar bis 4. März in der Galerie für Fotografie – Ricus Aschemann zu sehen.
Wir treffen uns in Katrins Büro im Schauspielhaus. Am Theater ist die Freiberuflerin circa ein-zweimal die Woche, wie jetzt zu den Endproben täglich. Obwohl es auf der Etage sehr lebendig werden kann, ist es hier manchmal doch ruhiger als bei ihr Zuhause, sagt sie mit einem Lachen, wo mit zwei sieben- und neunjährigen Mädchen immer was los ist. „Bei der Arbeit hier sind unterschiedliche Seiten von mir gefragt. Die Produktionsfotografie ist eine sportliche Aufgabe, da muss man – je nach Länge des Stücks – fit sein“, erzählt Katrin. Was ich mir extrem schwierig vorstelle, bei all der Bewegung und den verschiedenen Akteuren auf der Bühne, ist für die geübte Theaterfotografin kein Problem: „Es ist anstrengend, weil man die ganze Zeit mitgeht, aber so schwierig finde ich es eigentlich nicht. Die Spieler arbeiten ja unabhängig von mir – so bin ich bei der Arbeit quasi unsichtbar. Das Gefühl ist angenehm.” Anders als bei den Porträtstrecken in den Spielzeitheften, bei der viel Zeit damit verbracht wird, die Idee zu entwickeln, abzustimmen, sie jedem einzelnen zu vermitteln. Oder wenn sie sich für Vorabfotos z.B. fürs Hoffest ein paar Schauspieler zusammenholt – da „kann man sich austoben und auch schon einmal Quatsch machen“, sagt die vielseitige Fotokünstlerin augenzwinkernd.
Katrin hat am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg gelernt, als der heutige Intendant vom Schauspiel Hannover, Lars-Ole Walburg, dort als Dramaturg arbeitete. Als sie in England lebte, wo sie Fotografie und Trickfilm am London College of Communication/ University of the Arts London studiert hat, rief er sie an und fragte, ob sie fest nach Hannover kommen wolle. Katrin kam gerne, aber fest anstellen lassen wollte sie sich nicht; als Fotografin sei sie Künstlerin, und für beide Seiten müsse es deshalb die Gelegenheit geben, sich frei zu fühlen, auch für andere Projekte. Zum Beispiel wenn eine Anfrage an sie als Trickfilmerin kommt, wie zuletzt von der Stadt Magdeburg. Im Zusammenhang mit deren Bewerbung als Kulturhauptstadt 2025 hat sie eine Vorher-Nachher-Trickfilmsequenz über die Renovierung der alten Lichtstelen auf dem Platz bei der Stadthalle gemacht.
An dem eigenen Projekt „boss“, einer Porträtserie über selbstständige Frauen in Hannover, dem Braunschweiger Land und Magdeburg, arbeitet Katrin bereits seit 2013. Die Reihe zeigt Frauen, die bei allen Unterschieden etwas gemeinsam haben: Sie sind Boss. Die Fotografin gibt mit ihrer Serie Einblicke in ihre Arbeitswirklichkeit. Auch wenn die Arbeit auf den Bildern manchmal unsichtbar ist, hat sie für ihre Porträts gezielt nach Abwechslung bei der Kulisse gesucht und Bosse von der Hebamme bis zur Fabrikbesitzerin aus dem Stahlgewerbe porträtiert. Was die Serie noch auszeichnet, ist, dass die Bilder unter Verwendung des Lichts der jeweiligen Arbeitssituation entstanden sind, wodurch die Begegnung mit den Bossen in ihrem „natürlichen Lebensraum“ sehr authentisch und persönlich wird.
Frauen in ihrem Arbeitsumfeld zu fotografieren, damit hat Katrin schon in England angefangen. Eine Freundin gab ihr damals das Buch „Der Mythos Schönheit“ von Naomi Wolf, und ihr fiel es wie Schuppen von den Augen: „Mich hat die Einsicht spät erreicht, dass ich auch bin, wie ich bin, weil ich eine Frau bin, das heißt auch, weil ich wie eine Frau erzogen wurde. Plötzlich war da die Überlegung, als Mann wäre ich vielleicht anders. Wie hat ein Mann, wie hat eine Frau rollenkonform zu funktionieren? Und dass diese Unterschiede zwischen Männern und Frauen von der Wirtschaft gebraucht und ausgebaut werden – das fängt bei den Cremes an und geht bis zu Lego für Mädchen. Ich bin davon überzeugt, dass Männer und Frauen im Schulterschluss versuchen müssen, gegen falsche Annahmen und künstlich erzeugte Gräben vorzugehen, in der Arbeitswelt und auch in der Familie.“ Ihre damalige Professorin, Beverley Carruthers, ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass sie weiter einen Weg suchte, fotografisch mit dem Thema Rollenverständnisse umzugehen. Sie möchte mit ihren Porträts Fragen auslösen wie: Was denke ich denn eigentlich, wenn ich “boss” lese? Überrascht es mich, dann nur Frauen zu sehen? Ist „eine Boss“ anders als „ein Boss“? Fragen wie diese findet wohl auch die Stiftung Leben & Umwelt/Heinrich Böll Stiftung Nds. spannend, denn die hat Katrin jüngst als Kooperationspartner für „boss“ gewinnen können, sodass das Projekt auf jeden Fall weitergeht und noch einige Bosse dazukommen werden.
Kurz nachgefragt
Lieblings-Fotomotiv?
Meine Kinder. Klar. Und auch sonst auf jeden Fall Menschen.
Bevorzugte Kamera?
Eine Kleinbildkamera entspricht meiner Art zu arbeiten am besten, weil man sich damit viel bewegen kann, spontan sein kann.
Bildband-Tipp?
Isabel Machado Rios: Prem, Herlinde Koelbl: Das deutsche Wohnzimmer, Lady Hawarden: Studies from Life.
An deinen 4 Wänden hängen…?
Fotos, eigene, von Kollegen, auch gekaufte. Illustrationen von Paul Bower, der die Ballhof-Poster macht. Und Kinderbilder.
Hobbies?
Ich gehe leidenschaftlich gerne spazieren und Fahrrad fahren.
Interview: Anke Wittkopp
Foto: Karl-Bernd Karwasz